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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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du mich denn nicht mehr? Es war also nur meine Stellung, der Rang meiner Gattin, den du schätztest und anstrebtest? Jetzt, wo du mich nicht mehr für geeignet hältst, dein Gatte zuwerden, zuckst du unter meiner Berührung zusammen, als sei ich eine Kröte oder ein Affe.«
    Diese Worte schnitten mir ins Herz, aber was konnte ich tun? Wahrscheinlich hätte ich gar nichts sagen oder tun müssen, aber die Gewissensbisse darüber, dass ich sein Gefühl auf diese Weise verletzen musste, quälten mich derart, dass ich dem Verlangen, heilenden Balsam zu spenden, wo ich verwundet hatte, nicht widerstehen konnte.
    »Ich liebe Sie«, sagte ich, »mehr denn je. Aber ich darf diese Empfindung nicht mehr zeigen, mich ihr nicht mehr hingeben. Und dies ist auch das letzte Mal, dass ich ihr Worte verleihe.«
    »Das letzte Mal, Jane! Was? Glaubst du, dass du mich täglich sehen und neben mir leben kannst und dennoch, wo du mich doch liebst, kalt und fremd zu bleiben vermagst?«
    »Nein, Sir, ich weiß bestimmt, dass ich es nicht könnte. Und deshalb sehe ich nur einen einzigen Ausweg. Aber Sie werden wieder in Zorn geraten, wenn ich ihn nenne.«
    »Oh, nenne ihn nur! Wenn ich tobe, so besitzt du die Kunst des Weinens.«
    »Mr. Rochester – ich muss Sie verlassen.«
    »Auf wie lange, Jane? Für einige Minuten, während du dein Haar ordnest, das etwas in Unordnung gekommen ist? Oder um dein Gesicht zu kühlen, das fieberhaft glüht?«
    »Ich muss Adèle und Thornfield verlassen. Ich muss mich von Ihnen für das ganze Leben trennen. Ich muss ein neues Dasein unter fremdem Himmel, zwischen fremden Gesichtern beginnen.«
    »Gewiss. Ich sagte dir ja schon, dass du es sollst. Den wahnsinnigen Gedanken, dich von mir trennen zu wollen, berühre ich nicht weiter. Du meinst in Wahrheit, dass du ein Teil von mir werden musst. Was das neue Dasein betrifft, so hast du recht. Du musst dennoch mein Weib werden: Ich bin nicht verheiratet. Du sollst Mrs. Rochester werden, sowohl dem Namen nach wie in den Tatsachen. Ich werde zudir halten, solange du und ich leben. Du sollst an einen Ort kommen, den ich im südlichen Frankreich besitze: eine freundliche, weiße Villa am Ufer des Mittelmeeres. Dort sollst du ein glückliches, beschütztes und unbescholtenes Leben führen. Fürchte nicht, dass ich dich zur Sünde verleiten könnte, dass ich dich nur zu meiner Geliebten machen will. Weshalb schüttelst du den Kopf? Jane, du musst Vernunft annehmen, oder wahrhaftig – die Wut fasst mich von Neuem.«
    Seine Stimme und seine Hand bebten, seine Augen funkelten, und dennoch wagte ich zu sprechen:
    »Sir, Ihre Gattin lebt. Das ist ein Faktum, welches Sie heute Morgen selbst zugestanden haben. Wenn ich bei Ihnen lebte, wie Sie es wünschen, so würde ich nur Ihre Geliebte sein – etwas anderes zu sagen ist sophistisch, ist falsch.«
    »Jane, ich bin kein sanftmütiger Mensch – das vergisst du. Ich bin nicht von großer Geduld. Ich bin nicht kalt und leidenschaftslos. Aus Mitleid für mich und dich selbst, lege deine Hand auf meinen Puls, fühle, wie er klopft und – hüte dich!«
    Er schob den Ärmel vom Handgelenk zurück und hielt mir seinen Arm hin, aus seinen Wangen und seinen Lippen war alles Blut gewichen, er war aschfahl. Ich fühlte mich unsagbar elend. Es war grausam, ihn durch einen Widerstand, den er so verabscheute, weiter zu reizen. Ihm nachgeben stand ebenfalls außer Frage. Ich tat, was jeder Mensch instinktiv tut, wenn er zum Äußersten getrieben wird – ich blickte um Hilfe zu dem Einen auf, der hilft, wenn menschliches Hoffen vergeblich scheint, und die Worte »Gott hilf mir!« kamen unwillkürlich von meinen Lippen.
    »Ich bin ein Tor!«, rief Mr. Rochester plötzlich aus. »Ich fahre fort, ihr zu sagen, dass ich nicht verheiratet bin und erkläre ihr nicht das Warum. Ich vergesse, dass sie nichts von dem Charakter jenes Weibes weiß, noch von den Umständen, welche meine unglückselige Verbindung mit ihrbegleiteten. Oh, ich bin überzeugt, dass Jane mit mir in meiner Ansicht übereinstimmen wird, wenn sie alles weiß, was ich weiß! Leg jetzt deine Hand in die meine, Jane, dass ich wenigstens deine Berührung fühle, dass ich weiß, du bist mir nahe – und dann werde ich dir in wenigen Worten den wahren Sachverhalt erklären. Willst du mir zuhören?«
    »Ja, Sir, stundenlang, wenn Sie wollen.«
    »Ich begehre nur Minuten. Jane, hast du jemals gehört oder weißt du, dass ich nicht der älteste Sohn meines Hauses war? Dass ich einst

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