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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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unter der Hecke, und dicht an den braunen Stämmen entlang lief ein großer Hund, dessen schwarz-weißes Fell ihn weithin kenntlich machte. Dies war nun gerade eine der Verkleidungen aus Bessies »Gytrash«, eine löwenähnliche Kreatur mit langer Mähne und großem Kopfe. Der Hund schlich indessen ruhig an mir vorüber und blickte mit seinen seltsam verständigen Hundeaugen nicht zu mir auf, wie ich schon fast erwartete. Dann folgte das Pferd – ein starkes Ross, auf seinem Rücken ein Reiter. Der Mann, das menschliche Wesen, brach den Zauber sofort. Den Gytrash konnte niemand reiten, er stürmte stets allein umher. Und wenn Kobolde auch in die stummen Leiber der Tiere fahren konnten, so vermochten sie nach meiner Kenntnis doch nicht, die gewöhnliche Menschengestalt anzunehmen. Dies war also kein Gytrash, sondern nur ein Reisender, welcher den kürzesten Weg nach Millcote einschlug. Er ritt vorüber, und ich ging weiter. Nur wenige Schritte kam ich, dann wandte ichmich um: Ein Geräusch, als glitte irgendetwas aus, und ein Poltern weckten meine Aufmerksamkeit. Es folgte ein Ausruf: »Was denn nun, zum Teufel?« Ross und Reiter lagen am Boden; sie waren auf der Eisfläche ausgeglitten, welche den gepflasterten Fußpfad bedeckte. In großen Sprüngen kam der Hund zurück, und als er seinen Herrn in Verlegenheit sah und das Pferd stöhnen hörte, begann er zu bellen, dass es von den Hügeln widerhallte. Er beschnüffelte die auf dem Boden liegende Gruppe und kam dann zu mir gelaufen – das war alles, was er tun konnte; eine andere helfende Hand war nicht zur Stelle. Ich folgte ihm zu dem Reiter hin, welcher jetzt begann, sich unter seinem Pferd hervorzuarbeiten. Seine Anstrengungen waren so kräftig, dass ich glaubte, er könne keinen großen Schaden genommen haben. Aber ich fragte dennoch: »Haben Sie sich verletzt, Sir?«
    Ich glaube beinahe, dass er fluchte, aber ich bin meiner Sache nicht ganz gewiss. Jedenfalls bediente er sich einer Redeform, welche ihn einer direkten Antwort enthob.
    »Kann ich irgendetwas für Sie tun?«, fragte ich wiederum.
    »Treten Sie zur Seite«, entgegnete er, indem er sich erhob, erst auf die Knie, dann auf die Füße. Ich tat, wie er mich hieß. Dann begann ein Heben, Stampfen, Schlagen, begleitet von einem Bellen und Springen, welches mich in der Tat einige Schritte wegtrieb. Ich wollte mich jedoch nicht ganz entfernen, bevor ich das Resultat nicht gesehen hatte. Dieses war am Ende ein Glückliches; das Pferd stand wieder auf den Füßen, und der Hund wurde mit einem »Sitz, Pilot!« zur Ruhe gebracht. Dann beugte der Reisende sich nieder und betastete seinen Fuß und sein Bein, wie um sich zu vergewissern, ob sie heil geblieben waren. Anscheinend hatte er sich aber verletzt, denn er hinkte bis zu dem Platz am Zaun, wo ich zuvor gesessen hatte, und ließ sich nieder.
    Mich fasste wahrscheinlich eine Laune, mich nützlich zu machen oder doch wenigstens mich gefällig zu zeigen, denn ich näherte mich ihm erneut.
    »Wenn Sie sich verletzt haben, Sir, oder Hilfe brauchen, so kann ich entweder aus Hay oder von Thornfield Hall Hilfe herbeiholen.«
    »Ich danke Ihnen. Ich werde allein zurechtkommen. Ich habe kein Glied gebrochen, sondern nur eine kleine Verstauchung davongetragen.« Er stand wieder auf und prüfte seinen Fuß; die Untersuchung entlockte ihm aber ein unwillkürliches »Au!«
    Das Tageslicht war noch nicht ganz gewichen, und der Mond schien bereits hell, ich konnte ihn also deutlich sehen: Die Gestalt war in einen weiten Reitmantel mit Pelzkragen und Stahlverschlüssen gehüllt; die Proportionen waren nicht genau zu unterscheiden, aber ich sah, dass der Mann von mittlerer Größe und sehr breitschultrig sein musste. Er hatte ein finsteres Gesicht mit ernsten Zügen und hoher Stirn; die Augen mit den hochgewölbten, zusammengewachsenen Brauen sprühten in diesem Augenblick vor Wut und Zorn. Er war über die erste Jugend hinaus, das mittlere Lebensalter hatte er aber noch nicht erreicht – er mochte ungefähr fünfunddreißig Jahre zählen. Ich fürchtete mich nicht vor ihm und hegte auch keine zurückhaltende Scheu. Wäre er ein schöner, heroisch blickender junger Mann gewesen, so würde ich nicht gewagt haben, so dazustehen und ihm meine Dienste unaufgefordert anzubieten oder ihn gegen seinen Willen mit Fragen zu behelligen. Bis jetzt hatte ich kaum jemals einen schönen Jüngling gesehen und noch nie in meinem Leben mit einem solchen gesprochen. Ich hegte eine

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