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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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und schwang sich in den Sattel. Der verstauchte Knöchel musste ihn dabei jedoch so heftig geschmerzt haben, dass sich sein Gesicht verzerrte und er sich auf die Unterlippe biss, dass es blutete.
    »Jetzt«, sagte er, seine Unterlippe freigebend, »geben Sie mir meine Peitsche; sie liegt dort unter der Hecke.«
    Ich suchte und fand sie.
    »Ich danke Ihnen! Jetzt eilen Sie mit Ihrem Brief nach Hay, und dann kehren Sie so schnell wie möglich zurück.«
    Eine Berührung mit dem bespornten Absatz machte, dass sein Pferd sich bäumte und dann davonsprengte; der Hund folgte wie rasend den Spuren, und alle drei verschwanden …
    ›Wie Blüten, die auf öder Heid
    Der wilde Sturm von dannen trägt.‹
     
    Ich nahm meinen Muff wieder auf und ging weiter; der Vorfall war vorüber. Er war an sich ohne Bedeutung, ohne Romantik, eigentlich ganz und gar uninteressant, und doch hob er eine einzelne Stunde aus einem ansonsten einförmigen Leben heraus. Meine Hilfe war gebraucht und in Anspruch genommen worden. Ich hatte geholfen, und esmachte mich glücklich, irgendetwas getan zu haben. Ich war meiner passiven Existenz so müde. So unbedeutend und vorübergehend die Tat auch gewesen war, so hatte sie doch eine Leistung von mir verlangt. Auch war das neue Gesicht wie ein neues Bild, welches meiner Galerie der Erinnerungen einverleibt worden war, und es war allen anderen, die dort aufgehängt waren, so gänzlich unähnlich: Erstens war es ein männliches Gesicht, und zweitens war es düster, streng und ernst. Ich sah es noch vor mir, als ich nach Hay kam und den Brief beim Postbüro einwarf; ich sah es vor mir auf dem ganzen Weg nach Hause. Als ich an den Zaunübertritt kam, hielt ich eine Zeitlang inne, blickte umher und horchte. Mir war, als müsse ich wiederum Pferdegetrappel auf dem gepflasterten Weg vernehmen, als müsse wiederum ein Reiter im Mantel und ein Gytrash-ähnlicher Neufundländer erscheinen. Aber ich sah nur eine Hecke und eine Weide vor mir, die still und gerade in das klare Mondlicht hineinragte; ich hörte nur den leisen Windhauch, welcher eine Meile weiter hügelabwärts dann und wann durch die Bäume fuhr, welche das Herrenhaus von Thornfield umstanden, und als ich der Richtung, aus welcher das leise Murmeln kam, mit den Augen folgte, sah ich, wie ein Fenster an der Vorderseite des Hauses plötzlich erhellt wurde. Es erinnerte mich daran, dass es bereits spät war. Ich eilte weiter.
    Es machte mir keine Freude, Thornfield wieder zu betreten. Seine Schwelle zu überschreiten bedeutete, zur Stagnation zurückzukehren, durch die stille Halle zu gehen, die düstere Treppe hinaufzusteigen, mein eigenes einsames, kleines Zimmer aufzusuchen, später der ruhigen Mrs. Fairfax zu begegnen und den langen Winterabend mit ihr und nur mit ihr zuzubringen.
    Es bedeutete, vollständig die leise Erregung zu ersticken, welche der Spaziergang in mir erweckt hatte, meinen Fähigkeiten abermals die traurig-aussichtslosen Fesseln einer einförmigenund tötenden Existenz anzulegen, einer Existenz, deren große Vorteile der Sicherheit, des Geborgenseins und des Wohllebens ich nicht mehr zu schätzen vermochte. Wie nützlich würde es mir zu jener Zeit gewesen sein, in den Stürmen eines unsicheren, gefährdeten, mühsam kämpfenden Lebens hin und her geworfen zu werden und inmitten rauer und bitterer Erfahrung die Sehnsucht nach der Ruhe und dem Frieden zu empfinden, welche mich jetzt fast erdrückten! – Ja, es wäre mir ebenso nützlich gewesen wie ein langer Spaziergang einem Manne, der es müde geworden ist, immer in einem zu bequemen Lehnstuhl zu sitzen. Und der Wunsch nach Bewegung war bei mir ebenso natürlich, wie er es bei einem solchen Manne gewesen sein würde.
    An der Parkpforte zögerte ich, ich zögerte auf dem Rasen und ich ging schließlich auf der Terrasse hin und her. Die Jalousien der Glastür waren herabgelassen; ich konnte nicht in das Innere des Zimmers blicken, und sowohl meine Augen wie meine Seele schienen von dem düsteren Haus – es erschien mir wie eine graue Felsmasse, in welche dunkle Zellen hineingehauen waren – fortgezogen zu werden. Hinaufgezogen zum klaren Himmel, der sich wie ein blaues, bewegungsloses Meer über mir ausbreitete. Feierlich und majestätisch stieg der Mond empor und ließ die Spitzen jener Berge unter sich, hinter denen er hervorgekommen war. Er strebte dem tiefdunklen, unermesslich fernen Zenit entgegen, und ihm folgten die zitternden Sterne, zu denen ich mit bebendem Herzen und

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