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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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begünstigt meinen Wunsch, Beobachtungen anzustellen, Miss Eyre. Während ich mit Ihnen sprach, beobachtete ich auch gelegentlich Adèle – ich habe meine Gründe, sie für ein lohnendes Studienobjekt zu halten, Gründe, die ich Ihnen vielleicht, nein, gewiss eines Tages mitteilen werde. Vor ungefähr zehn Minuten zog sie einen kleinen rosa Seidenrock aus ihrem Koffer und Entzücken malte sich auf ihren Zügen, als sie ihn entfaltete. Die Koketterie liegt ihr im Blut, sitzt ihr im Mark und vernebelt ihren Verstand. ›Il faut que je l’essaie!‹, rief sie, ›et à l’instant même!‹ Und mit diesen Worten stürzte sie aus dem Zimmer hinaus. Sie ist jetzt bei Sophie und lässt sich ankleiden. In wenigen Minuten wird sie wieder eintreten, und ich weiß, was ich dann erblicken werde: eine Miniatur von Céline Varens, wie sie auf den Brettern erschien, wenn der Vorhang sich hob … Doch lassen wir das lieber. Jedenfalls, mein Innerstes wird einen Schlag bekommen, ich ahne es schon. Bleiben Sie noch, um zu sehen, ob sich meine Ahnung bestätigt.«
    Nicht lange dauerte es und wir hörten Adèles kleine Füße durch die Halle trippeln. Sie trat ein, verwandelt, wie ihr Vormund es vorhergesagt hatte. Ein Kleid aus rosa Satin, sehr kurz und so faltenreich, wie der schwere Stoff es erlaubte, ersetzte das braune Kleidchen, welches sie vorher getragen hatte. Ein Kranz von Rosenknospen umschloss ihre Stirn; seidene Strümpfe und kleine, weiße Satinschuhe bekleideten ihre Füße.
    »Est-ce que ma robe va bien?«, rief sie, vorwärts hüpfend. »Et mes souliers? Et mes bas? Tenez, je crois que je vais danser!«
    Und indem sie ihr Kleid emporhob, tänzelte sie durch das Zimmer. Als sie Mr. Rochester erreicht hatte, wirbelte sie vor ihm leicht auf den Zehen herum, ließ sich dann vor seinen Füßen auf ein Knie nieder und rief aus:
    »Monsieur, je vous remercie mille fois de votre bonté«, dann erhob sie sich und fügte hinzu: »C’est comme cela que maman faisait, n’est ce pas, Monsieur?«
    »Genau so!«, lautete die Antwort, »und
comme cela
lockte sie mir auch das englische Gold aus meinen britischen Hosentaschen. Ja, ich war auch einmal grün, Miss Eyre, grasgrün! Und kein frühlingsfrischer Hauch schmückt Sie jetzt, der nicht auch einst auf mir geruht hätte! Mein Frühling ist indes dahin, und er hat mir jene kleine französische Blütenknospe hinterlassen, welche ich in manchen Stimmungen schon gern wieder los sein möchte. Ich verehre die Wurzel nicht mehr, welcher sie entsprungen ist, seit ich erfahren habe, dass sie zu jener Art gehörte, welche nur mit Goldstaub gedüngt werden konnte. Und ich liebe auch die Blüte nur noch halb, besonders wenn sie so künstlich aussieht, wie in diesem Augenblick. Ich erhalte sie und pflege sie eigentlich nur nach jener Lehre der römisch-katholischen Kirche, die da sagt, dass wir durch eine gute Tat unzählige Sünden zu sühnen vermögen. Aber all dies werde ich Ihnen ein andermal erklären. Gute Nacht!«

Fünfzehntes Kapitel
     
    Und Mr. Rochester erklärte mir bei einer späteren Gelegenheit tatsächlich alles. Es war an einem Nachmittag, als er mir und Adèle zufällig im Garten begegnete. Während sie mit Pilot und ihrem Federball spielte, forderte er mich auf, mit ihm in einer langen Buchenallee auf und ab zu spazieren, von wo aus wir Adèle im Auge behalten konnten.
    Er erzählte mir also, dass sie die Tochter einer französischen Tänzerin, Céline Varens, sei, für welche er einst, wie er sich ausdrückte, eine
grande passion
gehegt hatte. Und Céline hatte vorgegeben, diese
passion
mit einer ebenso glühenden Liebe zu erwidern. Er hielt sich trotz seiner Hässlichkeitfür ihren Abgott; er sagte, er habe geglaubt, dass sie seine
taille d’athlète
der Eleganz des Apoll von Belvedere vorziehe.
    »Und, Miss Eyre, so sehr schmeichelte mir der Vorzug, welchen jene gallische Nymphe ihrem britischen Gnomen gab, dass ich sie in einem
hôtel
unterbrachte, ihr einen ganzen Haushalt von Dienern gab, eine Equipage, indische Schals, Diamanten, Spitzen und anderes mehr. Kurzum, ich begann damit, mich in der hergebrachten Weise zu ruinieren wie jeder beliebige Dummkopf. Wie es scheint, besaß ich nicht einmal so viel Originalität, einen neuen Weg zur Schande und zum Ruin zu finden, sondern ich ging mit blöder Akribie auf der alten Spur entlang und wich nicht einen Zollbreit von der ausgetretenen Straße ab. Und ganz wie ich es verdiente, traf auch mich das Los aller anderen

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