Januarfluss
Stücke auf LuÃzâ Eltern und behandelte sie sehr freundlich.
Es fehlte der kleinen Familie an nichts. Sie gingen ihrer Arbeit nach, die nicht allzu schwer war, sie hatten genug zu essen, wohnten in einer eigenen Hütte, waren wohlangesehen und hatten viele Freunde im Sklavendorf. Auch ihr kleiner Sohn LuÃz entwickelte sich gut, worüber sie sehr glücklich waren, denn zuvor hatten sie bereits drei Kinder im Säuglingsalter verloren. Darüber, dass ihr Sohn eine viel hellere Haut hatte als sie selbst, wurde nicht gesprochen. Das gehörte zu den Dingen, die auf einer groÃen Fazenda manchmal passierten, auch andere Sklavinnen hatten schon hellhäutige Kinder geboren.
Als LuÃz ein Jahr alt war, bekam er eine kleine Schwester. Sie kam im Oktober 1871 zur Weltâ und war frei. Kurz zuvor hatte man in Brasilien nämlich ein Gesetz erlassen, das die neugeborenen Kinder von Sklaven ab sofort zu freien Menschen erklärte. Man nannte es das » Gesetz des freien Bauches « . Dieses Gesetz wurde sehr umjubelt, galt es doch als der erste Schritt hin zur Abschaffung der Sklaverei. Aber für die Eltern dieser freien Kinder änderte sich nicht viel und die Säuglinge konnten mit ihrer Freiheit ja auch nicht viel anfangen.
Die Sklavenhalter, also die Besitzer der Eltern, mussten für diese freien Kinder bis zu deren achtem Lebensjahr aufkommen. Und so war es auch bei Rosa, wie das kleine Mädchen genannt wurde. Natürlich machte sie sich nützlich, wo sie nur konnte, obwohl sie, anders als ihr Bruder, keine Sklavin war. Mit vier Jahren fütterte sie die Hühner, mit sechs half sie ihrer Mutter beim Auswringen der Wäsche, und die ganzen ersten Jahre hindurch folgte sie ihrem Bruder überallhin. Rosa vergötterte LuÃz und umgekehrt war es genauso.
Das Wichtigste, was die beiden Geschwister zum Leben brauchten, nämlich die Liebe ihrer Eltern, hatten sie im Ãberfluss. Sie litten keinen Mangel, und der Besitzer der Fazenda war ein gütiger Mann, der seine Sklaven gut behandelte. Er hatte aus irgendeinem Grund LuÃz zu seinem Schützling erkoren, sodass der Junge, als er sieben Jahre alt wurde, weniger arbeiten musste als gleichaltrige Sklavenkinder und stattdessen jeden Tag ein paar Stunden Unterricht bekam. Er lernte Lesen, Schreiben sowie die Grundrechenarten. Sein Lehrer, der auch die Kinder des Plantagenbesitzers unterrichtete, war sehr angetan von dem wachen Geist des Jungen und überredete den Herrn der Fazenda, LuÃz noch länger unterrichten zu lassen.
So kam es, dass LuÃz sich immer mehr zum AuÃenseiter entwickelte. Er sah ja schon anders aus als die anderen Sklavenkinder, nämlich viel heller, und nun lernte er auch noch Dinge, die sie nie würden lernen dürfen. Er war nicht schwarz, aber auch nicht weiÃ. Er war kein richtiger Sklave, aber auch nicht frei. Warum er diese besondere Rolle hatte, begriff LuÃz erst viele Jahre später.
Als Rosa acht Jahre alt wurde, hatte der Plantagenbesitzer dem Gesetz nach nicht mehr die Verpflichtung, sie zu ernähren, sie zu kleiden, ihr ein Dach über dem Kopf zu geben oder sie im Krankheitsfall zu versorgen. Da sie ihn aber acht Jahre lang Geld gekostet hatte, wurde sie nun, wie alle anderen, zur Arbeit geschickt: Es galt, die bisher entstandenen Kosten abzuarbeiten. Das war also das Ergebnis des Gesetzes des freien Bauches: Die Kinder wurden weiterhin in der Sklaverei gehalten. Das ganze Gesetz hatte nur den einen Zweck gehabt, Brasilien vor den Augen anderer Länder in ein besseres Licht zu rücken.
Rosa landete als Dienstmädchen im Herrenhaus, wo sie zu Beginn nur einfachste Arbeiten verrichtete. Aber da sie fleiÃig und geschickt war, noch dazu von sehr ansprechendem ÃuÃeren, stieg sie schnell auf: Mit zehn durfte sie bereits bei Tisch servieren. Auch LuÃz machte gute Fortschritte, er las dem Plantagenbesitzer manchmal die Zeitung vor und wurde, als er zwölf war, gelegentlich mit in die Hauptstadt genommen, wo er den Gesprächen mit den Kaffee-Zwischenhändlern beiwohnen durfte. Man bereitete ihn auf eine künftige Führungsrolle vor.
Dann, im Herbst des Jahres 1884, verstarb der Plantagenbesitzer plötzlich. Seine Kinder waren noch nicht alt genug, um die Leitung der Fazenda zu übernehmen, und seine Witwe war mit der Aufgabe überfordert. Schon nach wenigen Monaten merkte man, dass es mit dem schönen Hof bergab ging. Unter den
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