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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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viel Geld wert. Außerdem habe ich kein Allerweltsgesicht, sodass es schwer war, mich zu tarnen. Aber ich habe mich irgendwie durchgeschlagen und irgendwann haben sie es aufgegeben. «
    Â» Wovon lebst du? « So eine blöde Frage, ich könnte mich dafür ohrfeigen, sie überhaupt gestellt zu haben.
    Ein Blick in Lus feixendes Gesicht sagt mir, was ich längst wusste. » Ich bestehle junge Senhoritas. Na ja, ältere Damen auch. Und Männer auch. «
    Wider Willen muss ich kichern.
    Â» Eigentlich ist es nicht lustig. Ich wollte arbeiten, weißt du. Da ich leidlich lesen und schreiben kann und auch ganz gut rechnen, dachte ich, es wäre leicht, eine gute Arbeit zu bekommen. Aber als entflohener Sklave fällt man nur umso mehr auf, wenn man über besondere Kenntnisse verfügt. In einem Kontor, das mich als Lehrjungen in der Buchhaltung beschäftigen wollte, hätte man mich beinahe erwischt. Also musste ich so tun, als könnte ich nichts anderes, als Kaffeekirschen zu ernten und schwere Lasten zu tragen. Ich habe mich eine Weile mit stumpfer, schwerer Arbeit über Wasser gehalten, habe am Hafen beim Entladen von Schiffen geholfen, beim Straßenbau Steine geklopft, bei einem Fischhändler Fische entschuppt, für einen Bäcker Mehlsäcke geschleppt. Aber ganz ehrlich: Man kann von den lachhaften Löhnen nicht leben. Weil die Arbeit so schwer ist und einem am Abend alles wehtut, lässt man die Hälfte des Geldes in der Schänke. Der Schnaps ist das Einzige, was vorübergehend Linderung verschafft, was einen die Plackerei, das Elend und die Aussichtslosigkeit, es jemals zu etwas zu bringen, vergessen lässt. Ich war auf dem besten Weg, ein Trinker zu werden. Dann lieber ein Dieb, oder? «
    Â» Ich weiß nicht. Es muss doch auch eine andere Lösung geben. «
    Â» Natürlich: Die Sklaverei gehört abgeschafft. Sofort. Das wäre auch für mich persönlich ein Riesenschritt nach vorn, denn dann könnte ich vielleicht eine Arbeit finden, die besser bezahlt ist und die mich interessiert. «
    Â» Wozu brauchst du die noch? Du hast doch meine Ohrringe. « Mein Ton ist anklagender als beabsichtigt. Ich will Lus Redelaune nicht dadurch unterbrechen, dass ich ihm Vorwürfe mache, denn ich will noch vieles von ihm wissen. Also füge ich beschwichtigend hinzu: » Ich meine, der Schmuck könnte dir zu komfortableren Lebensbedingungen verhelfen. «
    Â» Ich könnte damit auch meine Schwester freikaufen. «
    Es ist mir peinlich, dass mir selbst dieser Gedanke noch nicht gekommen ist. Natürlich! Das erklärt einiges. Es lässt seinen Diebstahl außerdem viel weniger kriminell aussehen, sondern fast schon wie eine gute Tat– im Grunde war er dazu gezwungen, aus Liebe zu Rosa.
    Â» Ja « , gebe ich kleinlaut zu. » Und worauf wartest du noch? «
    Er überlegt genau, bevor er mir antwortet. Man sieht es förmlich hinter seiner hohen Stirn arbeiten. » Ich verfolge ein größeres Ziel. So gern ich Rosa befreien würde, so sehr bin ich auch einer höheren Sache verpflichtet. Ich habe einen Plan, aber er ist noch nicht ganz spruchreif. «
    Â» Soll das heißen, dass du Rosas Glück dieser › höheren Sache ‹ opferst? « , frage ich nach, einigermaßen erstaunt über Lus hochgestochene, politisierende Ausdrucksweise.
    Â» Natürlich nicht. Aber ich muss das Geld so einsetzen, dass es den größtmöglichen Gewinn bringt. Außerdem habe ich keine Lust, diesem Fernando-Schuft auch noch ein Vermögen hinterherzuwerfen für eine › Ware ‹ , die er gestohlen hat. «
    Â» Nun, da du dieses › Vermögen ‹ ebenfalls gestohlen hast, hält sich das dann ja die Waage « , kann ich mir nicht verkneifen zu sagen.
    Â» Ich weiß gar nicht, wieso du andauernd an mir herumkrittelst. Wenn ich deinen Schmuck nicht genommen hätte, dann hätte ihn längst jemand anders gestohlen. So weißt du wenigstens, dass er in guten Händen ist. «
    Â» In guten Händen, soso. «
    Â» Ach, verflucht, hör endlich auf, dich als Heilige aufzuspielen. Du hast die Ohrringe doch selbst geklaut, oder? «
    Da hat er leider recht. Ich sehe es aber nicht ein, mich mit einem Dieb, so hilfsbereit er auch war und so traurig seine Geschichte ist, über einen Kamm scheren zu lassen. Also bleibe ich ihm eine Antwort schuldig. Es ist ja eigentlich an ihm, mir noch

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