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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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ohne sie ist es nur ein Trauerspiel.
    Â» Ach du liebes bisschen « , murmelt Angélica betreten. » Ich geh dann mal lieber. «
    Als die Tür hinter ihr zufällt, lasse ich meinen Tränen freien Lauf.

17
    Lu hat Angélica anscheinend ein bisschen Geld dafür gegeben, dass sie mich mitversorgt. Ich zahle keine Miete und muss auch nichts für Essen ausgeben. Angélica bringt Nahrungsmittel für mich mit, aber erstens tätigt sie ihre Einkäufe nur sehr unregelmäßig und zweitens kauft sie ausschließlich Dinge ein, die man putzen, schneiden und kochen muss, bevor man sie verzehren kann. Gemüse vom Markt, gelegentlich ein Stück minderwertiges Fleisch, Eier, Maniokmehl, Reis und Bohnen– daraus könnte unsere Köchin auf Águas Calmas sicher eine schmackhafte Mahlzeit bereiten, aber Angélica und ich können es nicht.
    Bei ihr liegt es daran, dass sie oft an Straßenständen isst oder in den Schänken, in denen sie ihre Kunden trifft, sie hat dann einfach keine Lust mehr zum Kochen. Und ich bin absolut unfähig dazu. Wie sehr ich mich danach sehne, dass sie einmal etwas mitbringt, das man ohne großen Aufwand verzehren kann, Gebäck oder Pasteten vielleicht. Aber als ich Angélica einmal darauf angesprochen habe, hat sie ein fürchterliches Geschrei veranstaltet, ich sei zu verwöhnt und undankbar noch dazu. Wahrscheinlich hat sie recht.
    Inzwischen habe ich immerhin gelernt, ein Ei zu kochen. Bei meinem ersten Versuch war es noch roh und glibberig, beim nächsten ist es geplatzt, dann habe ich eines gekocht, das steinhart und innen ganz grün war. Selbst die einfachsten Verrichtungen sind unglaublich schwierig, wenn man sie nicht gelernt hat und niemand einem erklärt, wie es richtig geht. Denn natürlich konnte ich Angélica nicht um Hilfe bitten. Wenn ich sie gefragt hätte, wie man ein Ei kocht, sodass das Weiße fest und das Gelbe weich ist, hätte sie sich totgelacht. Also habe ich so lange herumprobiert, bis es mir gelungen ist.
    Â» Du hast ja die ganzen Eier weggefuttert « , meckerte daraufhin Angélica, und ich tat so, als sei ich zerknirscht und schäme mich für meinen großen Appetit. Sie hätte nur in den Abfalleimer schauen müssen, um zu wissen, was mit all den Eiern passiert war. Aber wie gesagt, das ist jetzt Vergangenheit. Voller Stolz darf ich nun von mir behaupten, das perfekte Ei kochen zu können. Das ist doch schon ein Anfang, oder?
    Nun aber stehe ich ratlos vor einem riesigen Knochen, an dem Fleisch und Fett zu jeweils gleichen Teilen hängen. Was soll man damit machen? Wie soll dieses Zeug jemals zu etwas Essbarem werden? Ich muss einen Brechreiz unterdrücken, als ich das blutige Fleisch anfasse, um es vom Knochen zu schaben. Nein, ich kann das nicht. Ich brauche Hilfe. Wenn ich diese » Delikatesse « , die Angélica voller Stolz mitgebracht hat, ruiniere, wird sie mir das nie verzeihen. Ob ich mal bei den Nachbarn nachfragen soll? Vielleicht wohnt hier im Haus irgendeine freundliche ältere Frau, die sich freut, wenn sie eine Schülerin wie mich hat, der sie die Grundkenntnisse des Kochens beibringen kann.
    Obwohl ich möglichst nicht vor die Tür gehen soll, um die Wahrscheinlichkeit der Entlarvung gering zu halten, beschließe ich, es bei den Leuten im dritten Stock zu versuchen. Eine junge Frau, die dort wohnt, hat mir einmal im Treppenhaus zugelächelt. Es sind Weiße, wahrscheinlich arme Europäer. Hoffentlich kann ich mich überhaupt mit ihnen verständigen. Ich habe keine Ahnung, ob die Unterschicht in Europa Französisch spricht, aber mich beschleicht der Verdacht, dass dies nicht so sein könnte.
    Ich nehme all meinen Mut zusammen und gehe eine Etage höher. Mein Klopfen ist vielleicht ein wenig zu zaghaft, denn zunächst tut sich nichts, obwohl von innen Stimmen zu hören sind. Ich klopfe etwas energischer und kurz darauf öffnet mir ein junges Mädchen die Tür.
    Â» Ja, bitte? « , fragt sie. Sie hat einen starken Akzent, den ich nicht einordnen kann, aber offensichtlich kann sie ja Portugiesisch.
    Â» Ich bin die Nachbarin aus dem zweiten Stock. Isabel ist mein Name. Ich… bräuchte Hilfe. «
    Â» Ja? «
    Meine Güte, leicht macht sie es mir wirklich nicht. Oder kann das Mädchen vielleicht nur zwei Wörter in unserer Sprache, nämlich » ja « und » bitte « ?
    Â» Verstehst du mich? « ,

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