Januarfluss
frage ich sie.
» Ja. «
» Ich⦠Kann irgendjemand von euch kochen? «
» Ja. «
Allmählich verliere ich die Geduld. Wie kann man denn so einsilbig und abweisend sein? Das ist mehr als unhöflich.
» Also, es ist so, dass ich nicht kochen kann. Ich habe unten aber ein schönes Stück Fleisch liegen, und ich brauche jemanden, der mir sagt, was damit zu tun ist. «
» Sie haben Fleisch? Schwein? «
Was ist das denn für eine Frage? Wen interessiert es, ob es Schweinefleisch ist oder etwas anderes? » Ich weià nicht « , erwidere ich, » ich habe es noch nicht gekostet. «
Das Mädchen lächelt nun. Sie ist ungefähr in meinem Alter, und von Weitem könnte man sie sogar mit mir verwechseln, denn sie hat meine Statur und ebenfalls langes schwarzes Haar. Aber ihre Haut ist sehr bleich und ihre braunen Augen liegen in dunklen Höhlen. Sie betrachtet mich einen Augenblick nachdenklich. Wahrscheinlich wägt sie ab, ob sie » eine wie mich « â denn sie hält mich ja für ein leichtes Mädchenâ hereinbitten darf oder nicht. Doch schlieÃlich wirft sie ihre Bedenken über Bord und gibt mir mit einem Wink zu verstehen, dass ich eintreten soll.
Während ich im Wohnungsflur stehe und mich schaudernd umsehe, denn hier sieht es noch schlimmer aus als bei uns unten, ruft sie jemandem etwas zu. Ich kann die Sprache nicht identifizieren, sie klingt in meinen Ohren sehr fremdartig. Es riecht nach Zwiebeln und ungewaschenen Kleidern, und ich verfluche mich schon jetzt für meine idiotische Idee, hier um Hilfe zu bitten. Wenn das, was diese Leute essen, so schmeckt, wie es in der Wohnung riecht, dann kann ich auf eine Kochlektion verzichten.
» Meine Mutter kommt gleich « , sagt das Mädchen schlieÃlich und schenkt mir ein breites Strahlen. Leider entblöÃt sie dabei eine Reihe brauner und schiefer Zähne, sodass ihre freundliche Miene ein bisschen gruselig wirkt.
Die Frau, die wenig später kommt, sieht aus, als wäre sie die UrgroÃmutter dieses Mädchens, so faltig und zahnlos ist sie. Ich muss mir Mühe geben, mir meinen Widerwillen nicht anmerken zu lassen.
» Guten Tag « , sage ich höflich, » ich bin Isabel aus dem zweiten Stock. Ich habe ein schönes Stück Fleisch, kann aber leider nicht kochen und bräuchte daher Hilfe bei der Zubereitung. «
» Sie kann kein Portugiesisch « , erklärt das Mädchen. Sie wendet sich ihrer Mutter zu und erklärt ihr, worum es geht. Dann übersetzt sie für mich, was die Mutter gesagt hat.
» Ist es Schweinefleisch? «
» Ist das so wichtig? « , frage ich. » Ich glaube, es ist Rindfleisch, aber genau weià ich es nicht. Kann man das denn sehen? «
Die Tochter übersetzt wieder, dann fangen beide an zu gackern.
» Vielleicht könnte Ihre Frau Mutter einfach kurz mit mir kommen und es sich ansehen. Ich muss bis heute Abend irgendetwas daraus gekocht haben. «
Wieder erklärt die Tochter der Mutter, was ich gesagt habe. Sie beraten sich eine Weile in ihrer merkwürdigen Sprache, dann kommen sie endlich zu einem Entschluss.
» Meine Mutter kommt mit Ihnen, wenn Sie ihr ein Stück von dem Fleisch abgeben. « Die Tochter wirkt verlegen, als schäme sie sich für diese dreiste Bitte. Dabei sollte doch ich diejenige sein, die sich schämt: Ich hätte von selbst darauf kommen müssen, dass diese Familie bitterarm ist und auch das schlechteste Stück Fleisch für sie ein groÃer Luxus ist.
Drei Stunden später riecht es in unserer Wohnung so ähnlich wie oben. Der Zwiebelgeruch überlagert alles, aber ganz schwach ist auch der Duft von gebratenem Fleisch auszumachen. Ich habe der Frau beim Kochen über die Schulter gesehen, sodass ich es beim nächsten Mal vielleicht sogar allein hinbekäme. Ich bin sehr zufrieden, dass ich Angélica eine warme Mahlzeit servieren kann, aber meine gute Laune schwindet sofort, als meine Mitbewohnerin nach Hause kommt.
» Was hast du mit dem guten Fleisch gemacht? Hier stinkt es ja wie bei den Polacken oben. «
» Probier doch erst einmal. Es ist sehr schmackhaft. « Das behaupte ich einfach so, ohne es zu wissen. Ich habe nämlich selbst noch nicht gekostet, weil ich den Geruch sonderbar finde.
Angélica geht an den Herd, öffnet den Topfdeckel und stöÃt einen spitzen Schrei aus: » Wo ist das ganze Fleisch hin?! «
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