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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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könnte dir bei etwas anderem helfen. «
    Â» Ach? Was kannst du denn schon? «
    Â» Nun ja, ich weiß, wie man sich unter reichen Leuten benimmt. Ich könnte dir ein wenig davon beibringen. « So, nun ist es heraus. Ich muss mich zwingen, die Luft nicht anzuhalten. Ich bin sehr gespannt auf ihre Reaktion, will sie aber meine Anspannung nicht spüren lassen.
    Â» Und was soll ich deiner Meinung nach damit? Wozu soll ich mich benehmen wie die Reichen, wenn ich den Rest meines Lebens nur unter armen Schwarzen verbringe? Wenn ich Glück habe, nimmt mich irgendein kleiner Handwerker zur Frau, damit er jemanden hat, der ihm die Wäsche macht und ihm das Bett wärmt. Und wenn ich riesiges Glück habe, schlägt er mich nicht einmal. «
    Â» Das glaubst du doch selbst nicht. «
    Â» Doch. Vergiss, was ich dir über reiche Ehemänner erzählt habe. Ich bin nicht blöd, ich weiß, wo ich auf der Welt stehe. Klar? «
    Â» Aber das muss doch nicht so sein. Du bist jung und hübsch, und… «
    Â» Und schwarz. «
    Â» Ja, und schwarz. Aber es gibt doch auch schwarze Journalisten, Politiker, Händler. Kluge Männer, die dir mehr bieten könnten als das hier. « Ich lasse meinen verächtlichen Blick einmal durch den Raum kreisen.
    Â» Passt dir irgendetwas hier nicht? «
    Ich will schon zu einer entschuldigenden Antwort ansetzen, doch dann nehme ich meinen Mut zusammen und sage ihr die Wahrheit: » Nichts. Nichts hier passt mir. Es ist abscheulich, in solchen Verhältnissen zu leben, umgeben von Schmutz, Krankheit und Elend. Es ist furchtbar, was du tust, um deinen Lebensunterhalt zu verdienen. Du wirst gedemütigt und verprügelt, und nur deine pinga hilft dir, es zu ertragen. Wenn du dumm und faul wärst, hättest du es vielleicht nicht besser verdient. Aber du bist schlau, attraktiv und voller Energie. Dein ganzes Leben liegt noch vor dir. Tu doch um Gottes willen irgendetwas, damit es besser wird. «
    Â» Ich tu doch was. «
    Â» Was denn? «
    Â» Das kann Lu dir erklären. Er müsste bald zurück sein. «
    Â» Was hat denn Lu damit zu tun? «
    Â» Stellst du dich nur so dumm, Schätzchen, oder bist du es wirklich? Was glaubst du wohl, weshalb ich dich hier aufnehme? Denkst du, es macht mir Spaß, mein Bett an dich abzutreten? Denkst du, ich schufte für zwei, weil ich Mitleid mit dir habe? Oh nein! Lu und ich, wir wollen die Abschaffung der Sklaverei, denn erst dann haben wir überhaupt eine Chance auf ein lebenswerteres Dasein. Solange alles soistwie jetzt, wird es nie besser werden für mich. Du verstehst das nicht. Du kennst nichts anderes als Behaglichkeit. Dich hat man immer beschützt und verwöhnt. Dich hat man… «
    Â» …bestohlen! Das hat man mich. Lu hat mir das Einzige genommen, was mir ein bisschen Unabhängigkeit hätte geben können. Er hat meinen Schmuck geklaut, der ein Vermögen wert ist, also verschone mich jetzt bitte mit all den Opfern, die du für mich bringen musst. In Wahrheit bin doch ich diejenige, die Opfer bringt. Hätte ich noch den Schmuck und damit genügend Geld, müsste ich dir nicht zur Last fallen. Ich müsste nicht ekelhaftes altes Fleisch essen und mich als Hure verkleiden. Glaubst du denn, dass mir das Spaß macht? Ich tue es nicht freiwillig, merk dir das. «
    Â» Nicht? Du bist doch nur von zu Hause abgehauen, um mal das Gefühl von Freiheit zu schnuppern. Stimmt’s nicht? «
    Ein Kern Wahrheit steckt darin, zugegeben.
    Â» Und jetzt « , fährt Angélica fort, » stellst du fest, dass die Freiheit nicht halb so toll ist, wie du sie dir vorgestellt hast. Eigentlich gibt es sie gar nicht. Denn das Leben selbst macht einen unfrei. Man ist gezwungen, Dinge zu tun, die keinen Spaß machen– zu arbeiten, zu putzen, was weiß ich–, um zu überleben. «
    Â» Ach, und warum bist du dann unbedingt dafür, dass alle Sklaven befreit werden? Wenn die Freiheit überhaupt nicht existiert, wie du selbst sagst? «
    Â» Verdammt, Isabel, das kannst du doch gar nicht miteinander vergleichen. «
    Â» Was kann man nicht miteinander vergleichen? « , hören wir da eine vertraute Stimme von der Wohnungstür.
    Angélica hat sich mindestens so erschreckt wie ich. Wir drehen uns zur Tür hin, in der Lu steht, sein typisches spöttisches Grinsen auf den Lippen.
    Â» Oh Lu! « , ruft Angélica lachend,

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