Januarfluss
Wieso, da liegt es doch vor dir, im Kochtopf. «
» Es war dreimal so viel. «
» Es war viel zu viel für uns beide. Die Leute oben brauchten es dringender als wir. AuÃerdem musste ich der Frau ja etwas abgeben, dafür, dass sie mir beim Kochen geholfen hat. «
Angélica schüttelt den Kopf, offenbar ist sie diesmal wirklich erzürnt über meine Dummheit. » Wie konntest du nur? « , brüllt sie mich an. » Wir sind keine feinen Damen, die die Armen speisen und sich bei all ihrer Wohltätigkeit auch noch toll fühlen. Verstehst du das nicht? Wir sind selbst arm. WeiÃt du, wie hart ich arbeiten musste, um so einen fetten Knochen kaufen zu können? Du blöde, verwöhnte, verschwenderische Gans! Und dann auch noch dieses Gesindel in unsere Wohnung zu lassenâ hast du den Verstand verloren? «
» Ich h-habe es nur g-g-gut gemeint « , stottere ich, völlig perplex angesichts dieses Wutausbruchs.
» Wir können es uns nicht leisten, es gut mit anderen zu meinen! «
» Es tut mir leid, ehrlich. Ich wusste nicht, wie viel dir an diesem Knochen lag. Und ich wollte das Essen nicht ruinieren, daher musste ich die Nachbarn um Hilfe bitten. «
Angélicas Wut ist plötzlich verpufft. Sie sinkt auf einen Stuhl und stützt den Kopf in die Hände. » Vergiss es « , nuschelt sie.
Um meine Nutzlosigkeit nicht noch stärker spürbar werden zu lassen, fange ich an, den Tisch zu decken. Das wenigstens kann ich, wobei es sich um eine Fähigkeit handelt, die hier absolut fehl am Platz ist. Mehr als zwei Teller und Besteck muss ich nicht auflegen. Es gibt keine Servietten, keine für unterschiedliche Getränke bestimmten Gläser oder gar mehrere Bestecksorten für Vor-, Haupt- und Nachspeise. Es spielt nicht die geringste Rolle, ob Messer und Gabel am richtigen Platz liegen oder wo die dickwandigen Keramikbecher stehen, die in diesem Haushalt für Wasser ebenso herhalten müssen wie für Kaffee oder Schnaps. Ich lege einHolzbrett auf den Tisch, darauf stelle ich den Kochtopfmit dem Fleischgericht. Den Reis habe ich selbst zubereitet, er ist nur am Boden ein wenig angebrannt, ansonsten ist er mir halbwegs gelungen. Separates Gemüse gibt es nicht, es wurde alles zusammen mit dem Fleisch geschmort.
Ich bediene Angélica, häufe ihr eine tüchtige Portion Reis und Fleisch auf den Teller, dann nehme ich mir selbst. » Guten Appetit « , wünsche ich und beginne zu essen.
Da ich von der ganzen Kocherei schon das Gefühl habe, satt zu sein, kann ich nicht mit dem Enthusiasmus essen, den ich gern an den Tag legen würde. Es wäre nämlich jetzt angebracht, finde ich, so zu tun, als sei es ein auÃergewöhnlich leckeres Essen, von dem man gar nicht genug bekommen kann. Aber ich nehme nur einen winzigen Bissen, mehr glaube ich nicht schaffen zu können.
Auch Angélica stochert lustlos in der fremd aussehenden und merkwürdig riechenden braunen SoÃe mit den Fleischwürfeln herum. Doch nach einigen Bissen gibt sie zu: » Gar nicht mal so übel. «
Ich nicke. Tatsächlich schmeckt das Gericht besser, als es aussieht. GroÃe Erleichterung durchflutet mich: Ganz so falsch war es also doch nicht, die Nachbarn zurate zu ziehen.
Schweigend genieÃen wir unser Abendessen. Angélicas Tischmanieren sind genau so, wie man sich die Manieren einer Kuhhirtin vorstellt, nämlich bäurisch und derb. Ich frage mich, wie sie sich jemals einen wohlhabenden Mann angeln will. Wenn sie überhaupt je in die Situation geraten würde, mit einem solchen zu dinieren, dann würde er spätestens beim Essen von ihr abgestoÃen sein. Sie stützt die Ellbogen auf, hält ihren Kopf ganz nah über den Teller und schaufelt sich das Essen in den Mund, schmatzend und schlürfend. Sie kaut mit offenem Mund, wischt sich zwischendurch die Lippen mit dem Ãrmel ihres Kleides ab und zieht laut schniefend die Nase hoch.
Ob ich ihr beibringen sollte, wie man es besser macht? Wird sie dann gekränkt sein? Oder wird sie es als das verstehen, was es ist, nämlich als gut gemeinte Hilfestellung beim Erreichen ihres Ziels, einen besser situierten Mann zu finden? Ich bin hin- und hergerissen, doch schlieÃlich wage ich einen kleinen VorstoÃ.
» Angélica? «
» Hm? «
» Es tut mir leid, dass ich keine gröÃere Hilfe im Haushalt sein kann. «
» Schon gut. «
» Aber ich
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