Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
Vom Netzwerk:
Elviras Haus. Sie stellten Fragen und notierten sich mit unzufriedenen Gesichtern die Antworten. Elviras Nachbar kauerte mit einem dicken Verband auf dem linken Ohr auf einem Stuhl und schüttelte immer wieder den Kopf, als könne er sich selbst nicht glauben. Katinka zog die Beine an und kuschelte sich auf das Sofa. Carla saß neben ihr. Hardo stand am Fenster und starrte in die Ferne.
    »Hardo?«, sagte Katinka irgendwann, ganz leise.
    Er drehte sich zu ihr um. Selten hatte sie einen solchen Schmerz in seinen Augen gesehen. Er hob in einer entschuldigenden Geste die Hände und ging hinaus.
    »Nicht«, warnte Carla und hielt Katinka fest. »Lass ihn.«
    Katinka sank zurück auf das Sofa.
    »Was war das für eine Bombe?«, fragte Carla.
    »Das war Plastiksprengstoff«, sagte Katinka. »Jede Wette. Der Fettfleck und der Geruch nach Marzipan sind typisch. Die Vorrichtung ist ganz simpel: Du nimmst ein Taschenbuch. Verbindest den Sprengstoff mit dem Zünder, klebst die Kontaktpunkte auf zwei gegenüberliegende Buchseiten, steckst ein Stück Karton zwischen diese beiden Seiten, faltest den Karton und klebst ihn an der Innenseite des Umschlags fest. Wenn man das Buch rauszieht, bleibt der Karton im Umschlag, die Kontaktpunkte berühren sich, der Kreislauf ist geschlossen. Peng. Explosion.«
    Carla schauderte.
    »Also die perfekte Briefbombe.«
    »Der übliche Standard.«
    »Aber niemand hat das Buch rausgezogen.«
    »Elvira hat den Umschlag aufgerissen. Das Buch guckte ein Stück raus. Ich konnte es sehen, als es in ihrer Garderobe lag. Irgendwie muss sie dagegengestoßen sein. Das Buch ist rausgerutscht.«
    »Was meinst du, wer die Briefbombe geschickt hat?«
    Katinka rief sich die Schrift auf dem Kuvert in Erinnerung.
    »Wahrscheinlich die gleiche Person, die die anonymen Briefe verfasst hat.«
    Sie stand auf und ging zur Toilette. Setzte sich auf den Deckel und stützte das Kinn in die Hände. Vorsichtig streckte sie die Beine aus und betrachtete ihre verpflasterten Knie. Sie würgte, als sie an Elvira Hanfs blutigen Fuß dachte oder an die Fetzen, die noch davon übrig waren, und schaffte es gerade noch, aufzuspringen und den Klodeckel aufzureißen. Aber ihr Körper wollte nichts hergeben. Sie lehnte sich keuchend an das Waschbecken und betrachtete ihr Gesicht. Schwarzer Staub, vermischt mit Schweiß, klebte auf ihrer Haut. In ihren Haaren sah der Staub seltsam hell aus. Sie wusch sich das Gesicht und ließ Wasser über ihr Haar laufen. Eine braune Brühe gurgelte durch den Abfluss. Katinka wickelte ein Handtuch um ihren Kopf und ging zurück ins Wohnzimmer. Carla beantwortete Fragen. Dann beantwortete Katinka Fragen. Sie musste weit ausholen und viel erzählen. Carla brachte ihr ein Glas Wasser zu trinken. Als die letzten Polizisten das Haus verließen und Katinka hinter Hardo und Carla ins Auto stieg, zeigte die Uhr kurz vor zehn.
    Hardo drehte den Zündschlüssel. Der Golf holperte über das Kopfsteinpflaster aus der Stadt. Auf der Landstraße gab Hardo kaum mehr Gas. Gemächlich rollte der Wagen den Hügel hinauf.
    »Hier war es«, sagte Katinka. »Hier hat er gestanden und geschossen.«
    Hardo hielt. Er stieg aus und kletterte die Böschung hinauf. Katinka folgte ihm. Sie hörte Carla hinter sich.
    »Der Regen hat alle Spuren weggewaschen«, sagte Hardo. Er hockte sich auf die Erde. Katinka setzte sich neben ihn.
    »Es ist nicht Ihre Schuld!«, sagte sie. »Wirklich nicht, Hardo. Sie konnten nichts dafür. Elvira hätte längst aus dem Haus sein müssen. Sie hätte den Umschlag nicht öffnen dürfen.«
    »Hätte, hätte«, sagte Hardo. Er fuhr sich über den kahlen Schädel und riss in plötzlichem Jähzorn das Pflaster ab. Wütend schleuderte er es in die Sträucher. »Glauben Sie mir, ich weiß das. Und ich hasse es!« Er sprang auf und lief über das Feld, als habe er einen Fußmarsch nach Wladiwostok vor sich.
    »Lass ihn«, sagte Carla. »Er macht sich Vorwürfe.«
    »Aber das ist unnötig. Ihn trifft keine Schuld.«
    »Natürlich trifft ihn keine Schuld«, bestätigte Carla. »Das ist doch so typisch für Selbstvorwürfe. Die meisten sind leer wie Versprechungen.«
    »Es tut mir so weh, ihn so zu sehen«, seufzte Katinka. Einer ihrer Fälle kam hoch, das Gesicht einer Frau, die sie hatte beschützen sollen.
    »Ich hatte eine Klientin«, murmelte Katinka. »Jemand stellte ihr nach, und ich sollte feststellen, wer und warum. Aber sie wurde in ihrer Küche ermordet, während ich ums Haus ging. Fast unter

Weitere Kostenlose Bücher