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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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meinen Augen.« Katinka bohrte ihre Schuhspitze in die Erde. »Verstehst du, sie könnte noch leben. Elvira Hanf könnte hier mit uns stehen. Hinter Hardo hergehen. Es sind diese grauenhaften Sekunden, in denen sich alles verändert, und ich wünschte so sehr, ich könnte das Leben zurückspulen wie ein Videoband.«
    Carla strich ihr übers Haar.
    »Hardo hat mir wirklich geholfen, damals«, flüsterte Katinka. »Er hat mir beigebracht, mich nicht selbst zu zerfleischen wegen eines Unglücks, für das ich keine Verantwortung trage. Und nun ...«
    »... zerfleischt er sich selbst.« Carla sah über das Feld. Weit weg stand Hardo, sein mächtiger Körper nur ein Schatten im abendlichen Dämmerlicht. »Er braucht Zeit. Für alles brauchen die Menschen Zeit. Zeit, um zu sich zu finden. Zeit, um freundlich zu sein. Auch zu sich selbst.«
    »Ja«, sagte Katinka. Ihre Gedanken schraubten sich wie eine Spirale in die frühe Nacht. Immer weiter weg, immer verschwommener erschienen ihr die Ereignisse des Tages. Als ihr Handy klingelte, brauchte sie eine Weile, um zu verstehen, dass sie gemeint war.
    »Hier ist Sabine«, meldete sich Sabine Kerschensteiner.
    »Hast du schon gehört?«, fragte Katinka. »In Königsberg gab es eine Explosion. Elvira Hanf hat eine Briefbombe bekommen. Sie ist in die Luft geflogen. Hardo ... hat wahrscheinlich sein Handy aus. Er ...«
    »Wir haben die Meldung reingekriegt. Hör zu Katinka. Bist du allein?«
    »Nein. Hardo und Carla sind bei mir.« Katinka klammerte sich an ihrem Telefon fest.
    »Wir haben Toms Auto«, sagte Sabine. »Es steht auf einem Parkplatz hinter der Ausfahrt Lobenstein an der A 9.«
    »Aber – wo ist Tom!«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Sabine, er ist heute früh zwischen sechs und halb sieben losgefahren. Er hätte spätestens um neun in Leipzig sein müssen!«
    »Kann sein, dass er auf den Parkplatz fuhr, um zu pinkeln.«
    »Und dann?«, schrie Katinka. Sie sah Carlas drängenden Blick. »Hat er einen Spaziergang gemacht? Eine Rennsteigwanderung vielleicht?«
    »Die Thüringer Kollegen fanden das auch merkwürdig«, sagte Sabine. »Aber sie entdeckten keine Hinweise, dass es einen Kampf gegeben hätte oder so was.«
    »Einen Kampf?« Katinka trat mit dem Fuß nach einem Weißdornstrauch.
    »Katinka«, sagte Sabine. »Wir müssen damit rechnen, dass er nicht freiwillig verschwunden ist.«
     

17. Entführt
    Bist du denn rein von der Sünde, daß du es wagst, wie der Reinste, ja wie Gott selbst, den du verhöhnest, in meine Brust schauen zu wollen, daß du es wagst, mir Vergebung der Sünden zuzusagen, du, der du selbst vergeblich ringen wirst nach der Entsündigung, nach der Seligkeit des Himmels, die sich dir auf ewig verschloß? Elender Heuchler, bald kommt die Stunde der Vergeltung, und in den Staub getreten wie ein giftiger Wurm, zuckst du im schmachvollen Tode, vergebens nach Hülfe, nach Erlösung von unnennbarer Qual ächzend, bis du verdirbst in Wahnsinn und Verzweiflung! 4 4
     
    Katinka glaubte nichts von dem, was Sabine ihr am Telefon berichtete. Sie war zutiefst überzeugt, nach Hause zu kommen und Tom an seinem Rechner sitzen zu sehen, die steile Falte für knifflige Probleme über der Nasenwurzel. Hardo fuhr, und Carla saß neben ihm und sagte alle paar Minuten: »Nicht jetzt. Bitte nicht jetzt.«
    Katinka verstand später, was sie gemeint hatte.
    Während Hardo parkte, sprang Katinka aus dem Auto und rannte zur Haustür. Sie stürmte die Treppen hinauf und schloss die Wohnungstür auf. Sie sah Tom vor sich, hörte das leise Klicken der Computertastatur.
    Die Wohnung war leer.
    Sie saßen zusammen am Küchentisch, jeder mit seinen Dämonen. Hardo ging bald. Katinka legte den Kopf auf ihre Arme. Die Apathie, die sie schützte und alle grauenvollen, ängstigenden Gedanken von ihr fernhielt, lag auf ihr wie die schwarze Staubschicht aus Elviras Haus. Carla schickte sie ins Bett. Katinka schlief ein, den Kopf leer.
    Sie wachte gegen vier Uhr auf. Der Himmel färbte sich hellblau, und nun überrannten sie die Schrecken wie ein Hunnenheer. Sie hockte sich auf ihr Bett, starrte Toms leere Seite an und fühlte eine eiserne Presse ihr Herz zerdrücken. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Das Atmen war ihr so schwer, dass sie Angst bekam, sie könnte ersticken. Sie stand auf und ging in die Küche. Da saß Carla, vor einer Flasche Bier. Katinka setzte sich zu ihr.
    »Ich rufe Hardo an.« Der in dieser Nacht ebenso den Gespenstern zu trotzen hätte. Der keinesfalls

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