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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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schlafen würde.
    »Ja, bitte?«, tönte seine Stimme nach dem ersten Läuten in die Leitung.
    »Ich bin’s, Katinka.«
    »Mädchen«, sagte er. »Was ist los?«
    »Sie haben nicht geschlafen, oder?«
    »Nein. Reden Sie.«
    »Was geschieht jetzt?«, fragte Katinka. »Suchen Sie nach Tom?«
    »Ja. Gegen Mitternacht ist die Umgebung um den Parkplatz großräumig abgesucht worden. Aber wir haben nichts gefunden. Das ist einerseits beängstigend, aber andererseits auch beruhigend.«
    Katinka drückte auf die Lautsprechertaste, damit Carla mithören konnte.
    »Sie meinen, er ist mit einem anderen Wagen weggefahren?«
    »Das wäre die einzige Möglichkeit.«
    »Aber«, sagte Katinka und presste die freie Hand auf ihren Magen, »er hat es nicht freiwillig getan.«
    »Wenn er es freiwillig getan hätte, dann hätte er Sie angerufen oder sich bei seinem Kunden gemeldet.«
    Katinka fühlte, wie das Telefon in ihrer Hand zitterte.
    »Ich kenne die Geschichten, an die Sie mich jetzt erinnern wollen«, sagte sie. »Männer, die untertauchen, aus heiterem Himmel. Sie haben monatelang alles akribisch vorbereitet, und niemand hat etwas davon gewusst.«
    »Ich wollte Sie nicht daran erinnern«, widersprach Hardo müde.
    Katinka hielt sich den Kopf. Darin ratterten Zahnräder und schlugen Hämmer auf Ambosse ein. Sie war lange genug im Geschäft, und sie musste den Gedanken endlich aussprechen:
    »Jemand hat ihn entführt«, sagte sie heiser.
    »Wir haben nichts gefunden. Keine Hinweise, kein Schreiben, kein Nichts.«
    »Es dauert manchmal eine ganze Weile, bis sich ein Entführer meldet«, sagte Katinka. »Das alles ist doch verquer! Ewald hat ihn nicht entführt. Niemals.«
    »Wir haben einige Leute auf dem Zettel, die wir daraufhin überprüfen müssen«, erwiderte Hardo, »und dazu zählt die gesamte Familie Isenstein. Ewald, seine Frau und seine Kinder.«
    »Was ist mit Kroll?«
    »Ich bin ratlos.«
    »Sie meinen, er hat nicht geschossen?« Katinka spürte ihren Puls schneller werden.
    »Nein, ich glaube es nicht. Aber Glaube ist nur Biochemie. Ich brauche Beweise!«
    »Was ist mit Dr. Thompson«, fragte Katinka.
    »Sie ist in München. Will erst morgen nach dem Frühstück heimfahren. Sie kann es nicht gewesen sein, Katinka.«
    Katinka nickte dem Telefon zu, obwohl sie nicht überzeugt war. Gut, Liz Thompson hatte nicht geschossen, aber welche Verbindung gab es zu Ewald außer der Beziehung zwischen Ärztin und Patient?
    »Dr. Thompson profitiert von Ewalds Krankheit«, sagte Katinka nachdenklich.
    »Das ist üblich in der Branche«, beruhigte Hardo. »Schließlich will die Wissenschaft weiterkommen, und dazu braucht sie Patienten.«
    Katinka tauschte einen Blick mit Carla. Die formte lautlos ›El-vi-ra‹ mit den Lippen.
    »Wie geht es Elvira?«
    »Ihr Zustand ist stabil. Sie kam gleich in den OP. Wir werden sehen.«
    »Hat sie Sie eigentlich gestern noch angerufen?«
    »Ja«, antwortete Hardo knapp. »Ihre Nichte hat den Arbeitsplatz gewechselt, nachdem sie von Ewald angegriffen worden war. Das Verfahren ist eingestellt worden. Keine Schuldfähigkeit.«
    Es klapperte im Hintergrund. Hardo fluchte leise.
    »Was machen Sie da?«
    »Ich suche ein Buch.«
    »Ein Buch?« Katinka stöhnte in sich hinein. Hardo war ein Büchernarr, aber dass er sich in dieser Nacht mit anregender Lektüre wach hielt ... »Was für ein Buch?«
    Er zögerte. Katinka zählte die Sekunden, in denen sie schwieg, um ihn zum Weiterreden zu animieren.
    »Ich habe irgendwie den Eindruck, dass ich von unserem Fall schon einmal gelesen habe.«
    Katinka hörte ein dumpfes Geräusch. Bücher, die auf den Boden fielen. Hardos Regale waren zu voll.
    »Aber ich kann mich nicht erinnern, in welchem Buch. Ich weiß nicht einmal mehr, wie die Geschichte genau ging, aber irgendetwas erinnert mich an das, was wir vor uns haben.«
    Katinka seufzte.
    »Das kenne ich. Je mehr man versucht, die Erinnerung einzukreisen, desto weiter weicht sie zurück.«
    »So ist es auch mit den Wörtern. Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner schaut es zurück. Sagte Karl Kraus.«
    Katinka hielt sich den Kopf. In Wellen kam die Angst. Überspülte sie, drückte sie nieder. Nahm ihr den Atem. Sie musste schnell weiterreden, bevor die Panik sie vollkommen auffraß.
    »Gibt es schon einen Anhaltspunkt, was die Briefbombe betrifft?«
    »Nein. Wir haben nichts, verdammt. Gar nichts. Obwohl die Kollegen noch heute Nacht das Isensteinsche Haus in Königsberg durchsucht und Ewald ordentlich

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