Janusliebe
und
streicheln konnten.
Hinter ihnen, aus der geöffneten Tür des Lokals drangen die einschmeichelnden
Töne eines Reggaes auf die Straße hinaus. Unbewusst passte Carry ihre Bewegun-
gen diesem Rhythmus an, sodass sie mit Lawrence einen erotischen Tanz aufführte,
so aufreizend und erregend, dass ihnen beiden beinahe die Sinne vergingen.
Es war Lawrence, der sich, allerdings mit allerletzter Kraft, zusammenriss und
Carry von sich stieß.
Er musste erst ein paar Mal den Kopf schütteln, ehe sich die roten Nebel in sei-
nem Hirn und vor seinen Augen verzogen. Dann atmete er tief durch und blickte
Carry an, die ihn verständnislos anstarrte. Sofort bereute Lawrence seine heftige
Reaktion.
«Carry, Liebes», flüsterte er heiser vor Verlangen. «Carry, bitte, wenn ich dich
nur noch eine Sekunde länger in meinen Armen halte, verliere ich den Verstand.»
Ein wissendes Lächeln stahl sich in Carrys Augen. «Und, das wäre schlimm für
dich, nicht wahr?»
Lawrence seufzte. Mit allen zehn Fingern fuhr er sich durch das dichte Haar.
Eine Geste, die so komisch verzweifelt wirkte, dass Carry lachen musste.
«Was ist denn schon dabei, wenn man mal ein bisschen unvernünftig ist?»,
neckte sie ihn weiter. «Du verlierst bestimmt nicht gleich dein Gesicht.»
«Aber doch nicht mitten auf der Straße!», wehrte Lawrence sich, es klang halb-
herzig.
Im Grunde dauerte ihm die Diskussion schon zu lange. Sein Körper, seine See-
le, alles in und an ihm sehnte sich nach Carry und dem herrlichen Feuer, das sie in
ihm entfachen konnte. Als sie jetzt erneut geschmeidig in seine Arme glitt, erfass-
te ihn ein leichter Schwindel.
Nein, es war unmöglich, dieser Verlockung zu widerstehen! Aber bevor Law-
rence bereit war, diesmal alles zu vergessen und Carry an sich zu ziehen, entwand sie
sich ihm wieder durch eine geschickte Drehung und seine Hände griffen ins Leere.
«Carry!»
Sie wich vor ihm zurück, aber als sie seinen Blick sah, schmiegte sie sich von
neuem in seine Umarmung. Er drückte sie so fest an sich, dass ihr das Atmen schwer
wurde. Wie sehr sehnte sie sich nach diesem Mann, der von sich behauptete, keine
Gefühle zu kennen, und doch so zärtlich sein konnte! Gerade als Carry sich ihrem
Verlangen hingeben wollte, ertönte das scharfe Hupsignal eines vorbeifahrenden
Autos. Mit einem entsetzten Aufschrei riss Carry sich von Lawrence los.
«Verdammt!», knirschte er mit zusammengepressten Kiefern.
Verlegen wandte Carry sich ab, damit Lawrence nicht die Tränen der Enttäu-
schung in ihren Augen sah, und versuchte, wenigstens äußerlich wieder ihre Fas-
sung zurückzugewinnen.
Dieses gottverdammte Auto hatte sie um eine wunderschöne Erfahrung ge-
bracht, aber vielleicht auch vor einer bitteren Enttäuschung bewahrt. So versuchte
Carry sich zu trösten. Aber es half nicht viel. Die Leere in ihrem Herzen blieb und
mit ihr das Gefühl, etwas verloren zu haben, bevor sie es überhaupt richtig beses-
sen hatte.Sie hörte Lawrence’ Atem, der sich nur langsam regulierte. Wahrschein-
lich ärgerte es ihn nun, dass er sich so weit hatte hinreißen lassen. Gleich würde
er mit einer nichts sagenden Floskel um Verzeihung bitten, Carry ins nächste Taxi
verfrachten und sie bitten, das Ganze bloß nicht überzubewerten.
Das wollte sie sich ersparen.
«Mein Wagen steht noch vor deiner Firma», sagte Carry mit einer Stimme, aus
der alle Erregung verschwunden war.
Sie blickte Lawrence an und prallte zurück. Das, was sie in seinen Augen las,
war alles andere als das, was sie erwartet hatte. Das Verlangen, mit dem Lawrence
sie betrachtete, traf sie so unvermutet, dass Carry davor zurückschreckte.
«Ich will nicht, dass du gehst.» Seine Stimme war ganz weich. «Bitte, bleib.
Bleib bei mir. Ich brauche dich heute Nacht.» Der Blick seiner Augen sagte ihr, wie
ernst er es meinte. Carry konnte sich nicht davor verschließen. Sie ließ es zu, dass
Lawrence wieder die Arme um sie schlang und mit ihr langsam die Straße entlang-
ging, den Weg zurück, den sie vor Stunden gekommen waren.
Graues, kaltes Licht kroch langsam über die Dächer der Großstadt und kündig-
te den neuen Tag an.
———————
Der Wagen schoss mit quietschenden Reifen auf den Firmenparkplatz. Vin-
cent nahm sich nicht die Zeit, ihn abzuschließen. Im Laufschritt eilte er an dem
verdutzten Pförtner vorbei in das Bürogebäude und hieb nervös auf den Rufknöp-
fen aller vier Lifts herum. Im Rücken spürte er die
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