Janusliebe
Flughafen anrufen,
um die nächstbeste Maschine nach wo immer du willst chartern. Wäre das nicht
toll?!»
Sie waren stehen geblieben.
Lawrence sah Carry an, ganz erfüllt von dem Gedanken, die neu erprobte Frei-
heit vom Ich noch länger zu genießen. Von Sonne und Meer schwärmte er, vom
Faulenzen und gutem Essen, von Sehenswürdigkeiten, die er bisher nur aus den
Reiseberichten anderer Leute kannte und – hier versetzte es Carry einen schmerz-
haften Stich – von der Liebe.
Lawrence sagte tatsächlich »Liebe«!
Carry hob den Kopf und sah mitten hinein in seine meerblauen Augen, die vor
Zärtlichkeit und neuer Lebensfreude strahlten.
«Du wirst mir zeigen, wie man wirklich lebt», sagte er mit einer Zuversicht,
dass Carry das Herz wehtat. «Ich weiß ja nichts darüber. Du wirst schrecklich viel
Geduld mit mir haben müssen. Aber glaube mir, ich will es lernen.»
Carry schwieg immer noch.
«Carry – wirst du mit mir nach Hawaii, auf die Bahamas oder was weiß ich
wohin fliegen?»
Sie schüttelte stumm den Kopf.
«Möchtest du lieber nach Europa? Spanien vielleicht oder Paris?»
Carry kramte in ihrem Hirn verzweifelt nach einer Ausrede, irgendeiner dum-
men, kleinen Lüge, die Lawrence nicht allzu sehr verletzte, aber außer einem «Ich
kann nicht» kam ihr kein weiteres Wort über die Lippen.
Lawrence gab sich nicht so schnell geschlagen. «Ist es wegen deiner Arbeit?»
«Ja!» Carry nickte heftig. Das war ein guter Grund, den Lawrence sicher akzep-
tieren würde. Aber sie hatte sich getäuscht.
«Das ist doch nicht mehr wichtig», meinte er unbekümmert. «Du bist in die-
ser Agentur sowieso unterbezahlt. Bei mir bekommst du einen weitaus besseren
Posten und mehr Geld. Gleich, wenn wir zurück sind, werde ich die Personalab-
teilung anweisen, dir den Vertrag fertig zu machen. Das heißt ...» Hier stahl sich
ein spitzbübisches Schmunzeln in seine Mundwinkel. «... falls du dann überhaupt
noch einen Job brauchst.»
Das war mehr in Gedanken dahingesprochen, aber Carry hatte es trotzdem
gehört.
Alarmstufe eins!, funkte ihr Gehirn. Plötzlich funktionierte auch ihr Mund-
werk wieder.
«Aber Lawrence!», rief sie verzweifelt. «Sieh mal, ich kann doch nicht so Hals
über Kopf verreisen. Ich habe eine Wohnung ...»
«Du bekommst jede Menge neue Blumen von mir», unterbrach er sie la-
chend.
«... aus der ich zumindest ein paar Sachen holen muss ...»
«Man kann alles kaufen.»
«Aber keinen Pass!», brüllte Carry, um Lawrence zu übertönen. «Jedenfalls kei-
nen echten. Und wer bitte füttert meine Katze und meinen Kanarienvogel? Sag
jetzt nicht, dass du mir die auch neu kaufen willst.»
«Ich habe schon eine Lösung.» Lawrence’ erleichterter Ausruf machte Carrys
Hoffnung auf Rettung zunichte.
«Wir bringen die Tiere zu mir», verkündete er stolz. «Das Personal kümmert
sich darum, da kannst du ganz beruhigt sein. Vincent ist außerdem ein Katzenfan.
Er wird Freudentänze aufführen, wenn endlich so ein Tier ins Haus kommt.»
Glücklich über sein Organisationstalent wollte er Carry einfach an sich zie-
hen, aber sie stemmte sich wie ein störrischer Esel gegen ihn und zwang ihn so,
noch einmal stehen zu bleiben.
«Es geht nicht!», sagte sie beschwörend, Lawrence’ Blicken ausweichend. «Es
ist ganz und gar unmöglich. Für jeden von uns gibt es irgendwelche Grenzen, und
meine ist genau hier.»
Langsam drehte Lawrence sich um und begann, mit enttäuscht hängenden
Schultern seinen Weg alleine fortzusetzen. Ein Bild der Frustration, das Carry trotz
ihrer Nervosität und ihres schlechten Gewissens zum Lachen brachte. Erst als sie
den Taxenstand am Denver-Art-Museum erreichten, gab Lawrence sein trauriges
Schweigen auf.
«Ich hätte gerne mit dir ein paar freie Tage verbracht.»
Er zog sie in die Arme und hauchte einen kleinen, zärtlichen Kuss auf ihre
Wange. «Aber sicher hast du Recht. Wir sollten nichts überstürzen, auch wenn ich
jetzt viel lieber mit dir in mein Apartment fahren würde. Ich werde mich einfach
in Geduld üben. Aber ...»
Er fasste unter Carrys Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.
«Aber nicht sehr lange», beendete er seinen Satz. «Verdammt, Carry, wirklich
nicht sehr lange, denn du machst mich jetzt schon total verrückt.»
Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück, als fürchtete er, sich nicht länger
beherrschen zu können.
«Komm gut nach Hause», bat er noch. Dann machte er auf dem Absatz kehrt
und eilte davon, so
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