Jax
fast ein Jahr lang gearbeitet.«
Wir steigen ganz vorne in den ersten Waggon ein, und Julius atmet hörbar auf, als Sonja und Jax ihm auf eine Sitzbank helfen. Die meisten Polster sind zerschlissen oder fehlen ganz, sodass wir auf dem blanken Gestell Platz nehmen müssen. Dabei hocke ich mich neben Jax ans Fenster; den Rucksack nehme ich auf meinen Schoß.
»Bitte bleibt von den Türen weg, die schließen nicht mehr.« Sonja geht zum Fahrpult, das sich gleich hinter mir befindet. Dort drückt sie ein paar Knöpfe und betätigt einen Hebel. Quietschend setzt sich der Zug in Bewegung.
Oh Gott, hoffentlich kippt das Ding nicht von der Schiene! Ich kralle die Finger in Jax’ Oberschenkel und er legt seine Hand auf meine. Es poltert, ruckelt und knirscht. Immer schneller fährt der Zug, viel schneller, als man je mit einem Pedovehikle unterwegs sein kann.
»Wir haben die Schienen neu aufgestellt, allerdings führen sie jetzt am Boden entlang, früher standen sie auf Pfeilern und liefen über die Straße«, ruft Sonja aus dem Führerhaus.
Na welch ein Glück wir doch haben, dann fallen wir wenigstens nicht so tief.
Ich versuche mich zu entspannen, nehme dankbar den Fahrtwind an und betrachte die Gegend, je näher wir Resur kommen.
Jetzt erkenne ich Sonnenkollektoren vor der Stadt. Das sind bestimmt die, die sie gestohlen haben. Und überall stehen Baukräne. »Hast du das alles gewusst, Julius?«
Er schüttelt den Kopf und blinzelt nach draußen. »Nein, die Drohne stürzte gleich hinter der Mauer ab, sodass wir keine Bilder der Stadt bekamen, nur Funkkontakt herstellen konnten.«
Sonja wirft einen schuldbewussten Blick über ihre Schulter. »Tut mir leid, aber du bist der Sohn eines Senators, ich musste mir erst sicher sein …«
Er lächelt. »Schon okay.«
Die Sonne scheint durch das kaputte Fenster auf mein Gesicht und trotz des Fahrtwindes spüre ich ihre Kraft. Es wird rasch wärmer und sie brennt auf meiner Haut. »Ist es in der Pyramide nicht recht heiß?« Wenn ich mir die dunklen Scheiben ansehe …
»Nein, das ist Spezialglas. Es verhindert, dass es sich im Inneren übermäßig erwärmt. Außerdem haben wir eine Klimaanlage.«
»Wow«, erwidere ich atemlos.
Wir kommen an einer ehemaligen Schwimmbeckenlandschaft vorbei, in der Getreide wächst. In White City gibt es auch ein kleines Schwimmbad, in dem ich manchmal meine Bahnen geschwommen bin. In so einen erfrischenden Pool würde ich jetzt auch gerne springen. Die Kleidung klebt an meinem Körper, Haarsträhnen in meiner Stirn.
Auch Jax schwitzt. Und er ist erstaunlich still. Was geht in seinem Kopf vor? Immer, wenn ich ihn ansehe, schaut er in meine Richtung, sagt aber nichts. Überlegt er, wie er mir beibringen soll, dass er gleich wieder zurückgeht?
»Und wie viele Bewohner gibt es?«, frage ich Sonja, um mich von dem unangenehmen Ziehen in meiner Brust abzulenken.
»Mittlerweile über dreißigtausend.«
Je näher wir her anfahren, desto mehr Details erkenne ich. Was ich zuvor für Baracken gehalten habe, entpuppen sich als Holzhäuser. Um die Pyramide herum wurde eine neue Stadt errichtet. Ich sehe Au tos auf den geräumten Straßen – Hybridfahrzeuge, wie Sonja mir erklärt. Sie können mit Benzin oder Wasserstoff betrieben werden.
Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Als unser Zug langsamer wird und in einen Bahnhof einfährt, s teht dort eine Gruppe von etwa zwanzig Männern. Sie sind mit Schlagstöcken oder einfachen Pistolen bewaffnet, die nicht so modern aussehen wie die Waffen der Krieger und Rebellen. Alle tragen Sonnenbrillen und Cowboyhüte, dazu Jeans und Hemden. Also jetzt fühle ich mich schon ein wenig an einen Westernfilm erinnert.
»Das ist die Stadtwache.« Sonja schaltet die Motoren ab und ruft nach draußen: »Wir haben einen Verletzten!«, dann kommt sie zu uns. »War zu erwarten, dass sich deine Ankunft rumspricht. Jax, du solltest mir jetzt deine Waffen geben oder zurückfahren. Ich zeige dir, wie man den Zug bedient, ist nicht schwer.«
»Als ob ihre Spielzeuge mir Angst machen«, sagt er mit einem Blick auf die Männer.
»Na ja, die erfüllen ihren Zweck.« Sonja fächelt sich mit ihrem Strohhut Luft zu und schaut nachdenklich auf Julius, der wieder das Bewusstsein verloren hat. »Diese Männer vertreten hier das Gesetz. Waffen zu tragen ist allen Bürgern in der Stadt verboten, nur Wachen und Jäger haben eine Sondergenehmigung.«
»Jäger?«, frage ich und schlucke. »Wen jagen sie?«
»Bisons und
Weitere Kostenlose Bücher