Jax
Haar, weil es recht düster ist, dafür angenehm kühl. Es gibt elektrisches Licht, nur funktionieren lediglich wenige der Lampen, die an den Balustraden angebracht sind.
Für mich unvorstellbar, dass der Senat plant, das alles zu zerstören, wo sich die Outsider perfekt angepasst haben. Und alles wegen des Kampfes ums Trinkwasser. Unter White City gibt es genug für alle. Wenn Resur eine eigene Wasseraufbereitungsanlage hätte, gäbe es keine Probleme mehr. Die beiden Städte könnten friedlich nebeneinander existieren. Outsider und »Kuppelmenschen« – wie wir hier heißen – könnten sich auch gegenseitig besuchen, voneinander lernen und auf anderen Wegen voneinander profitieren.
Aber genau das möchte der Senat nicht. Eine Koexistenz mit den Outsidern ist für ihn undenkbar. Das Regime möchte nicht, dass wir uns nach diesen paradiesischen Zuständen hier draußen sehnen. Auch wenn das Leben in Resur ebenfalls nicht perfekt ist, führen die Outsider ein selbstbestimmtes Dasein in Freiheit und nicht wie wir unter einer Diktatur. Genau wie Julius gesagt hat: Ein kleines Vol k kann man in Schach halten, viele hunderttausend nicht.
Ich schlucke hart. Ein neuer Krieg steht bevor. Warum muss es immer wieder machtbesessene, egoistische Menschen geben, die ihr Wohl über das aller stellen? Das macht mich wütend und hilflos.
Ein alter Mann auf Krücken hinkt an mir vorbei. Trotzdem lächelt er mich an. Ihm fehlen fast alle Zähne, seine Augen sind blutunterlaufen, die Wangen fahl und eingefallen.
Als er uns nicht mehr hören kann, sagt Sonja: »Wir brauchen einfach mehr sauberes Trinkwasser. Wir haben einen so großen Zuwachs, dass die wenigen Spenden aus White City schon lange nicht mehr für alle reichen. Daher trinken viele das verseuchte Wasser. Wir haben sehr viele Kranke und die Sterblichkeit ist hoch.«
Mit Magenschmerzen denke ich an die beiden Wasserflaschen in meinem Rucksack. Ich bin versucht, einem dieser Menschen eine Flasche zu geben, doch wem? Und wann werde ich etwas zu trinken bekommen? Ich werde sie selbst brau chen. »Wenn Jax aus dem Gefä ngnis kommt, wird er an eurer Seite kämpfen, damit sich dieser Zustand endlich ändert.« Sonja hat mir erzählt, dass die Zellen im Keller der Pyramide liegen. Jax befindet sich also irgendwo unter meinen Füßen.
»Leben denn alle Outsider so modern wie hier?«, frage ich, während wir durch die Halle gehen.
»Nein, darum haben wir auch einen sehr hohen Zulauf. In anderen Teilen des Landes hatten die Menschen nicht so viel Glück, sie hausen tatsächlich in einfachsten Verhältnissen und greifen deshalb die Kuppelstädte an.«
Sonja führt mich zu einer Rezeption, die früher wohl auch dem Hotel als Empfang gedient hat. Vor dem hohen Tresen steht eine große Menschenschlange an. Es sind die Rebellen, die ihre Ankunft in der Stadt registrieren lassen müssen.
»Damit wir immer wissen, wie viele hier leben«, erklärt mir Sonja. »Auch wenn jemand vorhat, die Stadt zu verlassen, um zum Beispiel im Gebirge jagen zu gehen, muss er sich hier abmelden. Falls derjenige nicht mehr zurückkommt, wird sein Zimmer neu vergeben. Die Räume sind begehrt.«
Das kann ich mir vorstellen. »Dein Zimmer wurde nicht vergeben?«
»Nein, weil Mama und Noel auch dort leben.«
Zu dritt in einem Raum …
Ich seufze tief, da ich keine Lust habe, mich ebenfalls in die Schlange einzureihen. Ich muss zu Julius und danach möchte ich Jax sehen!
Sonja grinst mich an. »Komm mit mir, ich regle das.«
Wir gehen zu einer brünetten, älteren Dame, die am anderen Ende des Empfangs hockt und von einem Mann eine Pistole entgegennimmt.
»Im Gebäude sind keine Waffen erlaubt«, flüstert mir Sonja zu. »Sie werden hier unten in einem Safe verwahrt.«
Dann sind wir an der Reihe.
»Name?«, fragt die Frau, ohne aufzusehen. Sie sitzt vor einem Monitor, der sich in einem kleinen grauen Kasten befindet. Zeitgleich tippt sie auf einer Tastatur herum, die vor ihr auf dem Tisch liegt. Das ist wohl so eine Art Computer, wie es sie früher gab. Hätten mich die alten Zeiten nicht so brennend interessiert, hätte ich keine Ahnung von all diesen Dingen. Es ist allerdings schwer, in White City an Aufzeichnungen vor der Bombe zu kommen. Die meisten hat Mark mir besorgt. Ich habe ihm wirklich viel zu verdanken. Ich vermisse ihn sogar, aber nur als Freund. Mein Herz gehört Jax.
»Sonja Anaya meldet sich zurück«, sagt Sonja, woraufhin die Frau erneut auf der Tastatur herumtippt. Auf der
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