J.D.SALINGER Neun Erzählungen
einen Schritt vor.
»Du hast vollkommen recht. Was bin ich doch für ein Trottel.«
»Gehst du ins Wasser?«, fragte Sybil.
»Das erwäge ich ernsthaft. Ich denke intensiv darüber nach, Sybil, das hörst du sicher gern.«
Sybil stupste das Gummifloß an, das der junge Mann manchmal als Kopfstütze nahm. »Da fehlt Luft«, sagte sie.
»Du hast recht. Da fehlt mehr Luft, als ich gern zugeben würde. «
E r nahm die Fäuste weg und legte das Kinn in den Sand. »Sybil«, sagte er, »du siehst gut aus. Schön, dich zu sehen. Erzähl mir was von dir .«
E r streckte die Hände aus und packte Sybil an beiden Knöcheln. »Ich bin Steinbock«, sagte er. »Was bist du?«
»Sharon Lipschutz hat gesagt, du lässt sie mit dir auf der Klavierbank sitzen«, sagte Sybil.
»Das hat Sharon Lipschutz gesagt?«
Sybil nickte heftig.
Er ließ ihre Knöchel los, zog die Hände zurück und legte das Gesicht seitlich auf den rechten Unterarm. »Na«, sagte er, »du weißt ja, wie solche Sachen passieren, Sybil. Ich habe dann gesessen und gespielt. Und du warst nirgends z u sehen. Und dann kam Sharon Lipschutz und hat sich neben mich gesetzt. Da konnte ich sie doch schlecht runterschubsen, oder?«
»Doch.«
»O nein. Das ging nicht«, sagte der junge Mann. »Aber ich sage dir, was ich gemacht habe.«
»Was?«
»Ich habe so getan, als wäre sie du.«
Sogleich beugte sich Sybil herunter und grub im Sand. »Gehn wir ins Wasser«, sagte sie.
»Na gut«, sagte der junge Mann. »Ich glaube, das kann ich einschieben.«
»Das nächste Mal schubst du sie aber runter«, sagte Sybil.
»Wen soll ich runterschubsen?«
»Sharon Lipschutz.«
»Ah, Sharon Lipschutz«, sagte der junge Mann. »Wie dieser Name immer wieder auftaucht. Erinnerung mit Begehren vermengt .«
U nvermittelt stand er auf. Er schaute auf den Ozean. »Sybil«, sagte er, »weißt du, was wir machen? Wir sehen mal, ob wir einen Bananenfisch fangen können.«
»Einen was?«
»Einen Bananenfisch«, sagte er und öffnete den Gürtel seines Bademantels. Er zog ihn aus. Seine Schultern waren weiß und schmal, seine Badehose war königsblau. Er faltete den Bademantel zusammen, erst längs, dann zu Dritteln. Er rollte das Handtuch auseinander, das er über den Augen gehabt hatte, breitete es auf dem Sand aus und legte dann den zusammengefalteten Bademantel darauf. Er bückte sich, hob das Floß hoch und klemmte es sich unter den rechten Arm. Dann nahm er mit der linken Hand Sybils Hand.
Zusammen gingen sie zum Ozean.
»Ich könnte mir denken, du hast in deinem Leben auch schon einige Bananenfische gesehen«, sagte der junge Mann.
Sybil schüttelte den Kopf.
»Nicht? Wo wohnst du denn?«
»Weiß ich nicht«, sagte Sybil.
»Klar weißt du das. Das musst du doch wissen. Sharon Lipschutz weiß auch, wo sie wohnt, und die ist erst dreieinhalb .«
Sybil blieb stehen und riss die Hand von ihm los. Sie hob eine gewöhnliche Strandmuschel auf und betrachtete sie mit eingehendem Interesse. Sie warf sie wieder hin. »Whirly Wood, Connecticut«, sagte sie und ging wieder weiter, Bauch voran.
»Whirly Wood, Connecticut«, sagte der junge Mann. »Liegt das zufällig in der Nähe von Whirly Wood, Connecticut?«
Sybil sah ihn an. »Da wohne ich doch«, sagte sie ungeduldig. »Ich wohne in Whirly Wood, Connecticut .«
S ie lief ein paar Schritte voraus, fasste den linken Fuß mit der linken Hand und hüpfte zwei – , dreimal.
»Du hast ja keine Ahnung, wie klar dadurch alles wird«, sagte der junge Mann.
Sybil ließ ihren Fuß los. »Hast du › Der kleine schwarze Sambo ‹ gelesen?«, fragte sie.
»Sehr eigenartig, dass du mich das fragst«, sagte er. »Rein zufällig habe ich es gestern Abend zu Ende gelesen .«
E r griff wieder nach Sybils Hand. »Wie fandest du es?«, fragte er sie.
»Sind die Tiger um den Baum rumgerannt?«
»Ich hab gedacht, die hören nie auf. Noch nie habe ich so viele Tiger gesehen.«
»Es waren doch nur sechs«, sagte Sybil.
» Nur sechs!«, sagte der junge Mann. »Das nennst du nur ? «
»Magst du Wachs?«, fragte Sybil.
»Ob ich was mag?«, fragte der junge Mann.
»Wachs.«
»Sehr. Du nicht auch?«
Sybil nickte. »Magst du Oliven?«, fragte sie.
»Oliven – ja, Oliven und Wachs. Ohne die gehe ich nicht aus dem Haus.«
»Magst du Sharon Lipschutz?«, fragte Sybil.
»Ja. Doch, ich mag sie«, sagte der junge Mann. »Besonders gern mag ich an ihr, dass sie in der Hotellobby nie gemein zu kleinen Hunden ist. Zum Beispiel zu dem kleinen
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