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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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etwas gemacht hast. Und? Wie lief’s? Haben sie dich ausgequetscht?«
    »Wie bitte?«, sagte Teddy.
    »Wie lief’s? War es interessant?«
    »Manchmal ja. Manchmal nein«, sagte Teddy. »Wir sind ein wenig zu lange geblieben. Mein Vater wollte ein wenig früher als mit diesem Schiff zurück nach New York. Aber dann kamen Leute aus Stockholm, Schweden, und Innsbruck, Österreich, um mich kennenzulernen, und da mussten wir dann noch warten.«
    »So ist es immer.«
    Zum ersten Mal sah Teddy ihn direkt an. »Sind Sie Dichter?«, fragte er.
    »Dichter?«, sagte Nicholson. »Himmel, nein. Leider nein. Warum fragst du?«
    »Ich weiß nicht. Dichter nehmen das Wetter immer so persönlich. Sie hängen ihre Gefühle immer an Dinge, die keine Gefühle haben.«
    Nicholson lächelte und zog aus der Jackentasche Zigaretten und Streichhölzer. »Ich würde doch meinen, dass das zu ihrem Handwerkszeug gehört«, sagte er. »Beschäftigen sich Dichter nicht vorrangig mit Gefühlen?«
    Teddy hörte ihn offenbar nicht oder hörte ihm nicht zu. Abwesend schaute er auf die Zwillingsschornsteine auf dem Sportdeck oder darüber hinweg.
    Nicholson bekam mit einigen Schwierigkeiten seine Zigarette angezündet, denn von Norden her wehte eine leichte Brise. Er lehnte sich zurück und sagte: »Anscheinend hast du ein ziemlich verstörtes Häufchen – «
    » › Nichts in der Stimme der Zikade verrät, wie bald sie sterben wird ‹ «, sagte Teddy unvermittelt. » › Auf dieser Straße geht an diesem Herbstabend niemand. ‹ «
    »Was war das denn?«, fragte Nicholson lächelnd. »Sag d as noch mal.«
    »Das sind zwei japanische Gedichte. Die sind nicht sehr voll mit Gefühlszeug«, sagte Teddy. Er beugte sich a brupt nach vorn, neigte den Kopf nach rechts und versetzte seinem rechten Ohr einen leichten Klaps mit der Hand. »Ich habe immer noch Wasser im Ohr vom Schwimmunterricht gestern«, sagte er. Er versetzte sei n em Ohr noch einige weitere Klapse, lehnte sich dann zurück und legte beide Arme auf die Armlehnen. Natür l ich war es ein normaler Erwachsenen - Liegestuhl, und Teddy wirkte ausgesprochen klein darauf, gleichzeitig aber auch vollkommen entspannt, ja heiter.
    »Anscheinend hast du in Boston ein ziemlich verstörtes Häufchen Pedanten zurückgelassen«, sagte Nicholson und musterte ihn. »Nach dieser letzten kleinen Auseinandersetzung. Mehr oder weniger die ganze Leidekker - Prüfungsgruppe, wie ich das sehe. Ich glaube, ich habe dir erzählt, dass ich mich im letzten Juni ziemlich lange mit Al Babcock unterhalten habe. Und am selben Abend habe ich dann auch dein Band abgehört.«
    »Ja, stimmt. Das haben Sie mir gesagt.«
    »Anscheinend war es ein ziemlich verstörtes Häufchen«, drängte Nicholson. »Nach dem, was Al mir erzählt hat, hattet ihr alle spätabends ein ganz schön tödliches kleines Gespräch unter Männern – in derselben Nacht, in der du das Band gemacht hast, glaube ich .«
    E r zog an seiner Zigarette. »Nach dem, was ich höre, hast du einige kleine Voraussagen getroffen, die die Jungs ohne Ende verstört haben. Stimmt das?«
    »Ich würde gern einmal wissen, warum die Leute es für so wichtig halten, emotional zu sein«, sagte Teddy. »Meine Mutter und mein Vater glauben, ein Mensch wird erst richtig menschlich, wenn er alle möglichen Sachen sehr traurig oder sehr ärgerlich und sehr – irgendwie sehr ungerecht findet. Mein Vater wird, schon wenn er Zeitung liest, sehr emotional. Er findet mich unmenschlich.«
    Nicholson schnippte die Zigarettenasche zur Seite. »Dann hast du also keine Emotionen?«, fragte er.
    Teddy überlegte, bevor er antwortete. »Falls ich welche habe, erinnere ich mich nicht, wann ich sie jemals gebraucht habe«, sagte er. »Ich begreife nicht, wozu sie gut sein sollen.«
    »Du liebst aber doch Gott?«, fragte Nicholson mit l e icht übermäßiger Ruhe. »Ist das nicht sozusagen deine S tärke? Nach dem, was ich auf dem Band gehört habe, un d nach dem, was Al Babcock – «
    »Ja, schon, ich li ebe ihn. Aber ich liebe ihn nicht senti m ental. Er hat nie gesagt, man soll ihn sentimental lieben«, s agte Teddy. »Wenn ich Gott wäre, wollte ich jedenfalls ni cht, dass man mich sentimental liebt. Das ist zu unzuver lässig.«
    »Du liebst aber doch deine Eltern?«
    »Ja – sehr sogar«, sagte Teddy, »aber Sie wollen, dass i ch das Wort so benutze, dass es das bedeutet, was es für S ie bedeutet – das merke ich.«
    »Na schön. In welchem Sinn möchtest du es denn be nu

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