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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Ozean. Hast du das gewusst?«
    »Das ist er nicht«, sagte Teddy. »Das bist du nicht, Myron .« Z u seiner Schwester sagte er: »Schenk mir doch mal kurz deine Aufmerksamkeit. Wo ist die Kamera? Ich muss sie sofort haben. Wo ist sie?«
    »Da drüben«, sagte Booper und zeigte in überhaupt keine Richtung. Sie schob ihre beiden Stapel mit den Shuffleboard - Scheiben näher zu sich heran. »Jetzt brauche ich nur noch zwei Riesen«, sagte sie. »Die könnten dann Backgammon spielen, bis sie ganz müde sind, und dann könnten sie auf den großen Schornstein klettern und die auf alle runterschmeißen und sie töten .« S ie sah Myron an. »Die könnten auch deine E ltern töten«, sagte sie bestimmt zu ihm. »Und wenn sie das nicht tötet, weißt du, was du dann noch tun könntest? Du könntest auf Marshmallows Gift tun und sie ihnen zu essen geben.«
    Die Leica lag ungefähr drei Meter entfernt an dem weißen Geländer, das das Sportdeck umgab. Sie lag auf der Seite in der Abflussrinne. Teddy ging hin, hob sie am Gurt auf und hängte sie sich um den Hals. Sogleich nahm er sie aber wieder ab. Er ging damit zu Booper. »Booper, tu mir einen Gefallen. Bring sie bitte runter«, sagte er. »Es ist zehn Uhr. Ich muss in mein Tagebuch schreiben.«
    »Ich hab keine Zeit.«
    »Mutter will dich sowieso gleich sprechen«, sagte Teddy.
    »Du lügst.«
    »Ich lüge nicht. Sondern sie«, sagte Teddy. »Also nimm die bitte mit, wenn du gehst … Komm schon, Booper.«
    »Weshalb will sie mich denn sprechen?«, fragte Booper fordernd. »Ich will aber nicht mit ihr sprechen .« U nvermittelt schlug sie Myron, der im Begriff war, die oberste S huffleboard - Scheibe von dem roten Stapel zu nehmen, a f die Hand. »Finger weg«, sagte sie.
    Teddy hängte ihr den Gurt, an dem die Leica hing, um d en Hals. »Ganz im Ernst jetzt. Bring sie sofort zu Papa, u nd wir sehen uns dann später am Pool«, sagte er. »Um h alb elf treffen wir uns am Pool. Oder auch gleich davor, wo man sich umkleidet. Sei jetzt mal pünktlich. Das ist g anz unten auf Deck E, vergiss es nicht, nimm dir also viel Zeit .«
    E r drehte sich um und ging.
    »Ich hasse dich! Ich hasse alle auf diesem Ozean!«, rief Booper hinter ihm her.
     
    Unterhalb des Sportdecks, auf dem breiten hinteren Ende des Sonnendecks, konsequent im Freien, waren ungefähr f ünfundsiebzig oder mehr Liegestühle aufgestellt und s ieben oder acht Reihen tief ausgerichtet; die Gänge dazwischen waren gerade breit genug, dass der Decksteward durch sie hindurch konnte, ohne zwangsläufig über den Krimskrams der sonnenbadenden Passagiere – Strickbeutel, Unterhaltungsromane, Flaschen mit Sonnenöl, Kameras – zu stolpern. Es war schon voll, als Teddy kam. Er begann in der hintersten Reihe und ging methodisch v on Reihe zu Reihe vor, blieb dabei an jedem Stuhl stehen, o b er nun besetzt war oder nicht, um das Namensschild au f der Armlehne zu lesen. Nur ein oder zwei der dort l i egenden Passagiere sprachen ihn an – das heißt, machten i rgendwelche abgedroschenen Scherze, zu denen Erwach s ene gegenüber einem zehnjährigen Jungen, der zielstrebig nach seinem Stuhl sucht, zuweilen neigen. Seine Jugend und Zielstrebigkeit waren ziemlich offensichtlich, a ber vielleicht fehlte generell in seinem Auftreten vollständig – oder war kaum vorhanden – jener niedliche Ernst, bei dem viele Erwachsene spontan oder herablas s end losreden. Auch seine Kleidung mochte damit zu tun haben. Das Loch in der Schulter seines T - Shirts war nicht niedlich. Der übergroße hängende Hosenboden seiner Seersucker - Shorts, ihre überlangen Beine – das war nicht niedlich.
    Die vier Liegestühle der McArdles, mit Kissen versehen und bereit, in Anspruch genommen zu werden, standen in der Mitte der zweiten Reihe von vorn. Teddy ließ sich auf einem nieder, der – ob dies nun seine Absicht war oder nicht – keinen unmittelbar besetzten Nachbarn hatte. Er streckte die nackten, ungebräunten Beine aus, Füße zusammen, und zog beinahe gleichzeitig ein kleines Notizbuch zu zehn Cent aus seiner rechten Gesäßtasche. Dann, sofort auf einen Punkt konzentriert, als existierten nur er und das Notizbuch – kein Sonnenschein, keine Mitreisenden, kein Schiff – , blätterte er die Seiten um.
    Mit Ausnahme sehr weniger Bleistiftnotizen waren die Einträge offenbar allesamt mit Kugelschreiber erfolgt. Geschrieben waren sie in Druckbuchstaben, wie sie gegenwärtig an amerikanischen Schulen unterrichtet werden, statt in der alten

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