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Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)

Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)

Titel: Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Mockridge , Lars Lindigkeit , Markus Paßlick
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Texte für dein komisches Seniorenbuch, was weiß ich …«
    »Was soll ich ausgerechnet heute schreiben?«, entgegne ich. »Oder willst du etwa, dass meine Leser erfahren, wie du deinen todkranken Ehemann einfach kaltherzig seinem Schicksal überlässt?«
    »Komm, Dad, ich hab was, das lenkt dich ab …«
    Das war jetzt mein Sohn Liam. Ich schaue ihn fragend an.
    »Was denn?«
    »Komm mit!«
    Ich folge Liam. Wo will der mit mir hin? Erst vermute ich, es gehe in sein Zimmer, doch stattdessen führt er mich in mein Büro. Er zeigt auf meinen Stuhl.
    »Setz dich.«
    Brav nehme ich Platz.
    »Was hast du vor?«
    Mein Sohn schaltet den Computer an. Während der Rechner hochfährt, lächelt mich Liam seltsam an. Da ich einen sehr altersschwachen Computer besitze und das Hochfahren dementsprechend lange dauert, hält dieses seltsame Lächeln unangenehm lange an. So ein Lächeln kenne ich von meinem Sohn Liam eigentlich gar nicht. Irgendetwas in dem, wie er die Mundwinkel hochzieht, wie seine Augen leuchten, ist anders als sonst. Irgendwie … verschlagener. Ja, fast schon diabolisch. Ich weiß nicht warum, aber mir läuft ein kleiner Schauer über den Rücken.
    Als der Computer endlich startbereit ist, klickt Liam auf meinen Internetbrowser. »Ich installier dir World of Warcraft!«
    Mein Sohn lädt das Spiel herunter und installiert es. Der Monitor wird dunkel, dann erscheint das »WORLD OF WARCRAFT«-Logo. Aus den Boxen an meinem Computer ertönt eine orchestrale Kampfmelodie. Mit todernstem Blick macht mein Sohn eine geheimnisvolle Geste mit den Händen: »Willkommen in … Azeroth!«
    »Bitte wo?« Ich schaue mich verwirrt in meinem Büro um. »Ich denk, ich bin zu Hause in Bonn.«
    »Azeroth ist die Welt von World of Warcraft«, erklärt mir Liam. »Für wen willst du spielen – Allianz oder Horde?«
    »Was?«
    »Allianz oder Horde?«
    Ich merke, wie mein Sohn ungeduldig mit mir wird.
    »Ich … ich weiß nicht …« Ich bin völlig überfordert. »Ich hatte bei der Allianz mal ’ne Rechtsschutzversicherung …«
    »Mann, Dad!« Mein Sohn verdreht so stark die Augen, dass seine Pupillen kurz verschwinden. »Wir nehmen Horde, das macht mehr Spaß!«
    Liam klickt auf meiner Maus herum.
    »Was willst du sein: Ork, Taure, Untoter, Troll oder Blutelfe?«
    Hä? Was muss man denn da alles wählen, bevor es losgeht? Das war ja schlimmer, als sich bei »Subways« ein Sandwich zu bestellen.
    »Hä? Liam, ich … ich hab wirklich keine Ahnung. Such du einfach was für mich aus, okay?«
    Liam mustert mich eine kurze Sekunde.
    »Untoter.«
    Mittelschwer erniedrigt schaue ich zu, wie mein Sohn mir meinen Spielcharakter einrichtet. Ab sofort bin ich nicht mehr Bill Mockridge aus Bonn. Ich bin »Mockster66«, seines Zeichens Untoter aus Leidenschaft, in Azeroth.
    »Und was muss ich jetzt machen?«
    »Erst mal ein paar Quests lösen.«
    »Was für Dinger?«
    »Quests. Um Erfahrungspunkte zu sammeln.«
    »Mein lieber Liam: Ich bin über sechzig. Ich hab Erfahrung genug.«
    »Nicht in Azeroth!«, korrigiert mich Liam. »Da bin ich über sechzig. Über Stufe sechzig, genauer gesagt, mit meinem Magier. Du bist gerade mal Stufe eins.«
    So was muss man sich also vom eigenen Sohn sagen lassen.
    »Ach nee …«, entgegne ich. »Und wie werd ich so erfahren wie du, mein Sohn? Verrätst du mir das Geheimnis deiner unendlichen Weisheit?«
    »Guck zu, Dad! Schaue und lerne!«
    Mein Sohn zeigt mir eine gute Viertelstunde, wie man sich in der Welt von Azeroth bewegt. Quests annimmt, Feinde erschlägt, Items sammelt. Ich versuche, aufrichtig zu lernen, frage mich innerlich aber die ganze Zeit, wie viel echtes Wissen mein Sohn wohl dadurch versäumt hat, dass er statt Hausaufgaben zu machen lieber seine Magier-Kampfkunst geschult hat.
    »So, jetzt kommst du allein klar.« Liam schiebt mir Maus und Tastatur rüber. »Ich geh rüber zu Axel. Wir wollen noch die neue Skate-Rampe ausprobieren.«
    Damit lässt mich mein Sohn allein.
    »Liam!«, rufe ich ihm noch hinterher. »Liam, du kannst mich hier doch nicht …«
    Zu spät. Ich sitze jetzt ganz allein vor dem Computer und steuere meinen Untoten mit der Warcraft der zwei Herzen durch Azeroth. Wie zum Geier ging das gleich noch mal? Ich versuche, mich an das zu erinnern, was Liam mir gezeigt hat, und schlage planlos auf meiner Tastatur und Maus herum, um ein komisches Vieh zu erlegen, das mich plötzlich angreift. Ich habe keine Chance. Mit jedem Schlag raubt es mir mehr Lebensenergie, doch

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