Je sueßer das Leben
gerade zu halten, während sie die Buchstaben von ihren Fingerspitzen zieht. Ein Teil des »E« reißt ab, und ein »A« wickelt sich um sich selbst. »Es dauert einfach eine halbe Ewigkeit, bis man fertig ist!« Sie schafft es, ihren Namen aufzukleben, dann lehnt sie sich zurück, um ihr Werk zu begutachten.
Es sieht scheußlich aus. Sie hat dreißig Minuten für diese Scheußlichkeit gebraucht, und jetzt wartet auch noch Richards Name auf sie.
Sie fragt sich, warum sie überhaupt damit angefangen hat. Bettie Shelton, eine der Frauen, die sie kürzlich interviewt hat, ist eine begeisterte Scrapbookerin und führt nebenher einen kleinen Scrapbook-Laden. Sie hat Edie ein Starter-Paket geschenkt, als Dank dafür, dass sie über die Einbrüche im letzten Jahr berichtete, von denen auch Bettie betroffen war; ihr waren zwei Gartenzwerge, ein rostiger Rechen (»ehrlich gesagt war ich froh, das Ding los zu sein«) und ein Begonientopf geklaut worden. Edie ist nicht der Basteltyp und wollte das Geschenk zuerst nicht annehmen, aber Bettie bestand darauf und drückte es Edie einfach in die Hand. Damit nicht genug, lud sie Edie auch noch zum nächsten Scrapbooking-Treffen ein. Dort würde Edie eine Menge über die Sorgen ihrer Mitbürger erfahren, versprach Bettie.
»Was tue ich nicht alles für eine gute Story«, seufzt Edie. Sie kann Gräben ausheben, ein Schulhaus bauen, einem blutigen Anfänger die Grundlagen der englischen Sprache beibringen, aber sie hat keinen »Spaß mit Strass«, und wie man Glitzerbuchstaben auf Pergament druckt, will sie auch nicht wissen.
»Hey, wird das etwa mein Name?«, fragt Richard. Er legt die Zeitschrift zur Seite und tritt neben Edie. Sie hat beschlossen, zu schummeln und nur »Dr. Richard« zu schreiben statt »Richard Johnson«, das erspart ihr ein paar Buchstaben.
»Die Damen der Avalon Scrapbooking Society haben nächste Woche ein Treffen, das unter dem Thema Liebe steht.«
»Deshalb mein Name!«
»Deshalb dein Name.« Edie klebt ein Foto auf das Blatt, etwas schief, damit es künstlerischer aussieht. Vielleicht sieht es aber auch nur stümperhafter aus. Sie weiß es nicht, aber jetzt ist es sowieso zu spät.
Richard deutet auf das Bild von ihnen beiden im westafrikanischen Benin. »Dir war an dem Tag, an dem wir uns kennenlernten, das Propangas zum Kochen ausgegangen«, erinnert er sich lächelnd.
»Ja«, sagt Edie und boxt ihn in die Seite. »Und du konntest mir nicht helfen, weil du unbedingt Basketball spielen musstest.«
»An dem Tag fand die feierliche Einweihung des Basketballplatzes statt«, protestiert er. »Ich habe zwei Jahre damit zugebracht, Spenden dafür zu sammeln. Es war wichtig für die Leute dort – da musste ich natürlich dabei sein.«
Sie verdreht die Augen. »Mein erster Tag dort, und du lässt mich allein.«
»Hey, eine befriedigendere Schwerstarbeit wirst du nie leisten«, zitiert er das Motto des Friedenskorps. Und es ist nicht gelogen, etwas Befriedigenderes hat sie tatsächlich nie getan.
Edie wühlt in den Papierschnipseln und findet ein Stück braunes Wellpapier. Sie schneidet den Umriss von Benin aus, der sie immer an eine Fackel erinnert.
»Freut mich übrigens, dass du dich langsam in Avalon integrierst.« Richard entdeckt ein ausgestanztes Herzchen und klebt es auf das Blatt.
»Ich weiß nicht, ob man schon von Integration sprechen kann, wenn man zu zwei Scrapbooking-Treffen gegangen ist, aber es ist ganz nett. Ach ja, ich war außerdem mit einer Kollegin beim Mittagessen.«
Richard sieht beeindruckt aus.
»Livvy Scott. Blond, lebhaft, groß.« Edie wünschte, Livvy wäre nicht so hübsch. Sie hat Fotos von Richards Exfreundinnen gesehen, Frauen, die viel schöner sind als sie, die wissen, welche Frisur ihnen steht und wie sie sich schminken, die wissen, wie sie ihr Frausein gezielt einsetzen können. Man hat Edie schon verschiedentlich versichert, dass sie hübsch sei, aber das war im Sinn von intellektuell-hübsch gemeint, nicht hübsch-hübsch. Diesen Unterschied lernte Edie in der siebten Klasse kennen, als Missy Davidson sich auf der Schulparty über ihre Art zu tanzen lustig machte.
»Wie geht das? So?«, hatte Missy sie unschuldig gefragt und Edies auf MTV abgeguckte Tanzschritte nachgeäfft. Alle brachen in Gelächter aus. Edie brauchte eine Weile, bis ihr klar wurde, dass sich Missy über sie lustig machte. Plötzlich fühlte sie sich unbeholfen und schwerfällig, und sie erkannte, dass die gleiche türkisfarbene Bluse, die
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