Jeans und große Klappe
heimfahren, und ob ihre Tochter wohl ausnahmsweise einen freien Nachmittag haben könne? Familienbande soll man … (siehe oben).
Gerlinde machte sich stadtfein, verließ das Haus und ward nie mehr gesehen. Die Schwester konnte uns nichts sagen, weil sie in ihrer Kneipe auch nicht mehr erschienen war, und die Oma in der Laube begriff gar nicht, was wir von ihr wollten. Sie drückte mir eine Kaffeekanne in die Hand und murmelte immer wieder: »Haben Sie die Hühner mitgebracht?«
Da gaben wir es auf, wechselten das Türschloß aus und verbuchten den Betrag unter Betriebsunkosten.
»Warum ist Wenzel-Berta nicht Witwe, die wäre sonst bestimmt zusammen mit uns hierhergezogen«, seufzte Sascha und schmierte Zahnpasta auf seine weißen Turnschuhe. Nach seiner Ansicht war dieses Verfahren bequemer und effektiver als das mühselige Säubern mit Wasser und Bürste.
Ähnlich inhumane Gedanken waren mir auch schon des öfteren gekommen, aber ich hatte sie natürlich immer sofort wieder verbannt.
Trotzdem dachte ich manchmal wehmütig an Heidenberg zurück, wo Wenzel-Berta – ursprünglich als Putzfrau engagiert – schon bald das Kommando über Küche und Keller und dann auch über Mann und Kinder geführt hatte. Sie hatte sich als Krankenpflegerin bewährt, als Kindergärtnerin, als Köchin und gelegentlich auch als seelischer Mülleimer. Ihre drastischen Ratschläge hatte sie mir mit der gleichen Unverblümtheit serviert, für die sie im ganzen Dorf berüchtigt war, Diplomatie war ein Fremdwort für sie, aber wir hatten ihre unbekümmerte Offenheit als ausgesprochen wohltuend und meistens auch noch als recht erheiternd empfunden. Leider gab es aber noch einen Herrn Wenzel, Eugen mit Vornamen, und der besaß natürlich ältere Rechte. So hatten wir Wenzel-Berta nach einem tränenreichen Abschied in Heidenberg zurücklassen müssen, aber wenigstens mit der Gewißheit, daß uns nur 61 km Luftlinie trennten.
Zwei Wochen nach Gerlindes Gastspiel bekam ich eine Postkarte, auf der Wenzel-Berta ihren Besuch ankündigte: »Der Sepp will zu einem Motoradtreining nach Hockenheim und da fährt er faßt an ihnen vorbei. Sofern es ihnen Recht ist, nimmt er mich mit. Am Dienstag um zwei. Ergebenst, ihre Berta Wenzel.«
Beim Sepp handelte es sich um ihren Sohn, der gerade seinen Wehrdienst hinter sich gebracht und sich noch nicht entschieden hatte, ob er nun studieren oder Frau Häberles Tochter nebst dazugehöriger Gastwirtschaft heiraten sollte.
Wenzel-Berta erschien in ihrem Silberhochzeitskleid aus lila Taft, was ihrem Besuch zwar eine ungewohnt feierliche Note verlieh, aber dieser Eindruck verschwand ziemlich schnell wieder.
»Is'n bißchen viel Backpulver im Kuchen«, erklärte sie rundheraus und nahm sich das dritte Stück. »War früher bei mir genauso. Aber dann hatte ich bloß mal eine halbe Tüte, was ja eigentlich nich genug is, und denn hat der Eugen gesagt, nu hätte ich wohl endlich gelernt, wie man Napfkuchen bäckt.«
Ich versprach ihr, künftig weniger Backpulver zu nehmen.
»Und dann müssen Se die Rosinen vorher in Mehl wälzen, weil denn fallen sie nich immer alle nach unten.«
Auch das würde ich in Zukunft tun.
»ihre Putzfrau hat wohl nichts für Blumen übrig?« konstatierte Wenzel-Berta nach einem Rundblick durch das Zimmer und musterte mißbilligend den Cissus, der anklagend seine Blätter hängen ließ. »Weil der Topf is seit mindestens vier Tagen nich gegossen worden.«
Ich bekannte mich schuldig, was Wenzel-Berta mit einem verständnisvollen Lächeln quittierte. »Deshalb sag ich ja, Sie sollen das Ihrer Putzfrau sagen, weil Sie kriegen doch sogar Unkraut kaputt!«
Damit war das Stichwort gefallen. Die Schleusen öffneten sich, und ich sprudelte meinen ganzen Kummer über nicht vorhandene Putzfrauen und desertierende Hausgehilfinnen heraus. »Sie kennen doch Gott und die Welt, wissen Sie nicht jemanden für uns?«
Wenzel-Berta rührte in der Kaffeetasse und dachte nach. »Nee, also so auf Anhieb kann ich da gar nichts sagen, weil die Leute, wo ich kenne, haben alle Familie Höchstens so eine halbe Kusine, die is aus Mannheim, ihr Vater war mal Lehrer, also geistig kommt sie aus einem guten Haus, aber sie hat Rheuma, und das is wohl doch nich das Richtige. Nähen kann sie prima und auch Sofakissen sticken und so, aber Sie brauchen ja wen, der zupacken kann. Die Malwine is ja auch eigentlich ganz tüchtig, aber gegen Rheuma kann sie ja nu nich gegen an. Die weiß immer schon drei Tage vorher,
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