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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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benutzt hatte, brüllte etwas von »Schlamperei, die jetzt das Maß des Erträglichen überschritten« habe, und stieg wütend ins Auto, um dem Herrn Chefarzt unter Umgehung der sonst wohl üblichen Voranmeldung sofort direkt auf den Pelz zu rücken.
    Offenbar hatte der Herr Professor trotz des plötzlichen Überfalls Zeit gefunden, sich mit seinem Besucher fünfzig Minuten lang über moderne Malerei zu unterhalten und fünf Minuten lang über den eigentlichen Grund seines Kommens. Verabschiedet hatte man sich dann mit dem Vorhaben, das so interessante Gespräch demnächst auf privater Ebene fortzusetzen. Und wegen der Hausgehilfin wollte der Herr Professor mal mit dem zuständigen Stationsarzt reden.
    Zwei Wochen später war alles perfekt. Ich hatte wunschgemäß das Krankenhaus besucht, mich mit den beiden empfohlenen Kandidatinnen unterhalten und mich schließlich für Uschi entschieden. Sie war 25 Jahre alt, hatte einen Selbstmordversuch hinter sich und kein Zuhause mehr, seitdem der Vater gestorben und die Mutter verschwunden war. Kein Wunder, wenn dann jemand in Depressionen verfällt. Bei uns würde sie wenigstens keine Zeit dazu haben!
    Uschi war ein nettes, aufgeschlossenes Mädchen, das man sogar als ausgesprochen hübsch bezeichnen konnte. Leider brachte sie ein Lebendgewicht von 170 Pfund auf die Waage, und wir beschlossen gemeinsam, diesem Problem rigoros auf den Leib zu rücken. Obwohl sich Uschi jetzt überwiegend von Salat und Knäkkebrot ernährte, ausschließlich Mineralwasser trank und jeden Tag aktiv die Morgengymnastik im Rundfunk verfolgte, nahm sie nicht ein Gramm ab. »Daran sind bloß die blöden Tabletten schuld«, behauptete sie nachdrücklich, »denn erst seitdem ich diese Dinger schlucke, bin ich aufgegangen wie ein Hefekloß. Dabei brauche ich die jetzt bestimmt nicht mehr.«
    Bevor ich Uschi vom Krankenhaus abgeholt hatte, war ich bei dem behandelnden Arzt gewesen, der mich nicht nur mit guten Ratschlägen, sondern auch noch mit dem Tablettenvorrat für die nächsten Wochen eingedeckt hatte. »Achten Sie bitte darauf, daß die Patientin die Medikamente auch regelmäßig nimmt! Wir können sie erst ganz allmählich herabsetzen.«
    Jedesmal, wenn ich Uschi die rosa und grünen Kügelchen servierte, maulte sie, schluckte das Zeug aber doch gehorsam hinunter. Davon einmal abgesehen, schien sie sich bei uns wohlzufühlen. Mit den Kindern verstand sie sich großartig, und selbst Sascha, der anfangs noch darauf gewartet hatte, daß sie singend durch die Zimmer tanzen oder wenigstens irgendwo weiße Elefanten sehen würde, vergaß bald, auf welch ungewöhnlichem Weg wir zu unserer neuen Hausgenossin gekommen waren. Sie war anstellig und hilfsbereit und kam auch immer pünktlich zurück, wenn sie mal zum Friseur ging oder nachmittags ›Urlaub auf Ehrenwort‹ bekam. Sie hatte ein Faible für Mathematik, was ich rückhaltlos bewunderte, und spielte ausgezeichnet Schach, was wiederum Rolf sehr bemerkenswert fand, weil Frauen ja bekanntlich nicht logisch und schon gar nicht vorausschauend denken können. Wenn ich ihn in selbstverständlich immer nur um Zufallstreffer!
    Ich schrieb einen begeisterten Brief an Wenzel-Berta, bedankte mich für ihren guten Tip und versicherte ihr mehrmals, sie künftig in das Nachtgebet einschließen zu wollen.
    Kurz darauf verschlief Uschi zum erstenmal morgens die Zeit, obwohl sie normalerweise beim leisesten Geräusch munter war. Drei schulpflichtige Kinder, die Zeichenblocks, Frühstücksbrot und Stricknadeln zusammensuchen, dazwischen lautstark unregelmäßige Verben deklinieren und nebenher kleinere Streitigkeiten austragen, sind eigentlich nicht zu überhören. Aber was soll's, schließlich hat jeder Mensch das Recht, gelegentlich zu verschlafen. Auch wenn es drei Tage hintereinander passiert.
    Uschi bekam einen eigenen Wecker. Der nützte nichts. Ich stellte den Wecker in einen Suppenteller und garnierte ihn mit mehreren Glasmurmeln, einem Flaschenöffner und zwei Blechlöffeln. Wenn er jetzt bimmelte, hörte ich den Krach bis nach unten. Uschi hörte ihn nicht. Sven übernahm freiwillig das morgendliche Wecken, gab diesen Versuch aber nach einigen Tagen wieder auf, weil er zu zeitraubend und meistens vergeblich war. Vor zehn Uhr war Uschi nicht mehr wachzukriegen.
    »So geht das aber nicht weiter«, beschwerte ich mich bei Rolf und verlangte von ihm eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Der war verreist. Seine Vertretung war mit der Krankengeschichte

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