Jeans und große Klappe
nicht vertraut, meinte aber, man hätte vielleicht die Medikamente noch nicht absetzen dürfen.
»Haben wir ja gar nicht«, soufflierte ich leise, und Rolf beteuerte auch sofort: »Sie nimmt nach wie vor alle Tabletten, die sie genau nach Anweisung zugeteilt bekommt.«
»Sind Sie da auch ganz sicher?« zweifelte der Medizinmann und empfahl uns, die Patientin in der nächsten Woche persönlich vorzustellen, dann sei auch der Kollege wieder zurück.
Ich nahm Uschi ins Gebet, aber erst als ich ihre mögliche Rückkehr nach Weinsberg erwähnte, gestand sie zögernd, die Pillen nicht geschluckt, sondern nur im Mund behalten und später wieder ausgespuckt zu haben.
»Das mache ich aber ganz bestimmt nicht mehr«, heulte sie, und zum Beweis ihres guten Willens stopfte sie sich gleich eine Handvoll Tabletten in den Mund, die sie in ihrer Rocktasche versteckt hatte. Prompt wurde ihr schlecht, und ich versorgte sie zwei Tage lang mit Kamillentee und Zwieback. Am dritten Tag stand sie wieder pünktlich auf, am vierten versammelten wir uns ratlos vor der verschlossenen Zimmertür.
»Was soll denn das nun wieder bedeuten? Sonst hat sie sich doch nie eingeschlossen.«
»Vielleicht hatte sie Angst, du würdest sie nachts besuchen«, pflaumte Sascha seinen Bruder an, der immerhin schon einige Härchen unter den Armen und einen leichten Schatten auf der Oberlippe aufweisen konnte, mithin also nach Saschas Ansicht ›reif‹ war für erste Annäherungsversuche.
»Idiot, dämlicher! «
Weder die nicht gerade leise Diskussion noch Svens Faustschläge gegen die Tür hatten unser Dornröschen aufwecken können, es schlief bis zum Mittagessen.
Während Uschi das Geschirr spülte, wozu sie diesmal genau zwei Stunden brauchte, zog ich ihren Zimmerschlüssel ab und stopfte ihn in meinen Nachttisch.
Uschi reklamierte den Schlüssel und forderte sofortige Rückgabe. »Ich fühle mich bedroht«, behauptete sie.
»Seien Sie nicht albern, von wem denn überhaupt?«
»Von allen!«
Also doch weiße Elefanten!!
Ich nahm mir vor, Uschi so schnell wie möglich nach Weinsberg zurückzubringen und am besten gleich dortzulassen, nur würde das frühestens übermorgen der Fall sein. Warum mußte Rolf auch immer dann verreisen, wenn er wirklich gebraucht wurde?
Uschi rumorte in ihrem Zimmer herum. Manchmal hörte es sich an, als ob sie Kegel schob.
Sven wappnete sich mit Mut und beschloß, nach dem Rechten zu sehen. »Ich frage sie ganz einfach, ob sie mir in Mathe helfen kann.«
Sie konnte, aber sie wollte nicht. »Hau ab, hier kommt niemand rein! Und wenn doch, dann habe ich ein Messer!«
»Jetzt spinnt sie wirklich!« Sven kam kopfschüttelnd die Treppe wieder herunter. »Sie muß ihren Schrank vor die Tür gerückt haben, man kann sie nur einen Spaltbreit öffnen.«
»Blödsinn, das schafft sie doch nicht allein.«
»Aber man sagt doch immer, Verrückte können übermenschliche Kräfte entwickeln.«
Sascha kramte in den Küchenschubladen. »Das große Tranchiermesser fehlt tatsächlich«, verkündete er freudig. »Was nu, wenn die uns alle abschlachten will?«
»Ruf die Polizei an!« sagte Sven.
»Lieber gleich das Krankenhaus«, riet Sascha, »Polizisten sind doch keine Irrenwärter.«
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich einen Arzt an der Strippe hatte, und noch etwas länger, bis er meinen gestammelten Hilferuf endlich begriff. Dann empfahl er mir, Ruhe zu bewahren, die Patientin nicht aufzuregen und gefährdete Familienmitglieder sowie scharfkantige Gegenstände zu entfernen.
»Aber sie hat doch schon ein Meser.«
»Ach so, na, dann lassen Sie es ihr.«
Was denn sonst? Glaubte dieser Mensch etwa, ich wäre lebensmüde? Immerhin versprach er, sofort einen Wagen nebst erforderlichem Personal zu schicken.
Inzwischen war Stefanie aufgetaucht, im Kielwasser die Zwillinge, und die drei konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen.
»Wollt ihr nicht noch ein bißchen zu Angela gehen?«
»Da kommen wir ja gerade her«, protestierte Steffi. »Was is'n hier überhaupt los?«
»Gar nichts, aber Uschi ist plötzlich krank geworden, und nun warten wir auf den Wagen, der sie ins Krankenhaus bringt.«
Wir hatten den drei Mädchen natürlich verschwiegen, in welcher Institution wir Uschi aufgelesen hatten, und die Folgen wollte ich ihnen nun auch ersparen.
»Abmarsch!« kommandierte Sascha und schob seine Schwestern zur Tür hinaus. »Ich bringe sie schnell rüber, aber vielleicht rufst du vorher noch Frau Vandenberg an und sagst, was
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