Jeans und große Klappe
den Jungs das Rauchen. Sie fabrizierte mit den drei Großen Sahnebonbons, die sie dann samt der verbrannten Pfanne in die Mülltonne warf, und sie fütterte die beiden Kleinen so lange mit Eistüten, bis ihnen schlecht wurde. Sie dekorierte ihr Zimmer mit Fotos von Elvis Presley, war Mitglied eines Fanclubs und kannte die Biographien aller einschlägigen Rocksänger.
Nur vom Haushalt hatte sie nicht die geringste Ahnung. Sie konnte weder bügeln (»Das macht Mutti immer!«) noch kochen (»Mutti sagt, alleine würde sie viel schneller fertig werden!«), wußte nicht, wie man einen Saum annäht (»So was macht bei uns die Oma!«) und hatte noch niemals einen Kühlschrank abgetaut oder ein Bett gemacht (»Mutti sagt immer, das lernt man später von ganz allein!«).
Leider hatte Silvia aber auch keine Lust, etwas zu lernen, weder allein noch erst recht nicht mit meiner Hilfe. Geschirrspülen akzeptierte sie als gerade noch zumutbar, Schuhe putzte zu Hause immer der Vati, und als ich sie zum erstenmal bat, Kartoffeln zu schälen, benutzte sie ein Obstmesser und schaffte es trotzdem, sich den halben Daumen abzusäbeln.
Es dauerte auch gar nicht lange, und Silvia beschäftigte sich nur noch mit den Zwillingen. Sie ging mit ihnen spazieren, veranstaltete Wasserschlachten im Badezimmer und las ihnen stundenlang Märchen vor. Ich konnte inzwischen ungestört Türen abseifen, Strümpfe stopfen und Gardinen waschen.
Die Familie fand das völlig in Ordnung. Silvia ebenfalls. Als ich Rolf vorschlug, ich räumte wohl am besten das Schlafzimmer und zöge ins Mädchenzimmer, um den Rollentausch bis zur letzten Konsequenz zu vollziehen, sah er mich ganz entgeistert an.
»Sei doch froh, daß du überhaupt eine Hilfe hast!«
»Sagtest du Hilfe! Ich spiele hier das unbezahlte Dienstmädchen für euch alle, und meine sogenannte Hilfe sitzt mit den Zwillingen im Sandkasten und backt Kuchen. Weißt du überhaupt, wie Katja mich neuerdings nennt? Tante Mami!«
Mein Gatte fand das recht originell und gab mir den Rat, mit Silvia ein ernstes Wort zu reden. Daraus wurden mehrere ernste Worte, und abends war Papa Major da, um seine ausgebeutete Tochter wieder heimzuholen.
»Wie können Sie von einem kaum schulentlassenen Kind erwarten, daß es den ganzen Haushalt versorgt?« empörte sich der Herr Major und trug Silvias Köfferchen die Treppe hinunter.
»Ich sollte sogar den ganzen Gehsteig fegen«, schluchzte das Kind.
»Nein, mein Kleines, so etwas hast du nicht nötig. Du kommst jetzt mit nach Hause und erholst dich erst einmal. In vier Wochen wirst du achtzehn und kannst endlich Schwesternschülerin werden.«
Der Herr Major erbat das restliche Gehalt auf sein Bankkonto, nickte hoheitsvoll und begab sich gemessenen Schrittes zu seinem Wagen. Dabei stolperte er über den Strohbesen, den seine Tochter mitten auf dem Weg hatte liegenlassen, und ich hörte ihn noch murmeln: »Wenn das meine Kinder wären, dann hätte ich denen schon längst Zucht und Ordnung beigebracht!«
Meine nächste Stütze hieß Gerlinde. Rolf hatte sie in seiner Stammkneipe aufgelesen, wo sie anstelle ihrer erkrankten Schwester Gläser spülte. Der Vater war gestorben, die Mutter lebte in Stuttgart und ließ sich nur sehr selten blicken, und Gerlinde hauste mit ihrer etwas senilen Oma in einer Art Gartenlaube. Doch, sie würde sehr gerne zu uns kommen, mit Kindern habe sie sich schon immer gut verstanden, und Kartoffeln schälen könne sie auch.
Gerlinde zog also am nächsten Tag zu uns, machte sich mit Feuereifer über den Riesenberg Bügelwäsche her, korrigierte Steffi zwei Fehler in die Hausaufgaben und saß ab fünf Uhr vor dem Fernsehapparat, eskortiert von den Zwillingen, die das sonst nie durften.
Nach dem Abendessen bat sie um Ausgang. Sie wollte ihre Schwester besuchen.
Familienbande soll man pflegen, außerdem war Gerlinde schon sechzehn.
Um Mitternacht warteten wir noch immer auf sie.
»Du hättest ihr sagen sollen, daß sie um zehn Uhr zurück sein muß«, entschuldigte Rolf seinen Schützling und ging schlafen.
Gerlinde tauchte erst am nächsten Morgen wieder auf. Es sei ein bißchen spät geworden, sie habe nicht mehr klingeln wollen und sei deshalb bei ihrer Schwester geblieben. Also gab ich ihr einen Hausschlüssel und bat sie, künftig spätestens um elf zu Hause zu sein: »In gewisser Weise sind wir ja für Sie verantwortlich.«
Gegen Mittag rief Gerlindes Mutter an. Sie sei gerade aus Stuttgart gekommen, müsse abends wieder
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