Jeans und große Klappe
und Nicole galten schon seit zwei Jahren als ›Pärchen‹, anfangs von allen belächelt, nunmehr toleriert, obwohl mir bis heute noch nicht klargeworden ist, was die beiden eigentlich miteinander verbindet. Jens ist ein lebhafter, aufgeweckter Bengel, dessen Interessen von Raumfahrt bis zu Tiefseefischen reichen, eine Sportskanone, die auf dem Tennisplatz genauso zu Hause ist wie auf der Skipiste, während Nicki keine sportlichen Ambitionen hat und Fische verabscheut. Sie akzeptiert sie allenfalls in gebratenem Zustand.
»Ich mag die Nicki eben«, hatte Jens mir einmal erklärt. »Sie ist nicht ganz so blöd wie die anderen Mädchen, und vor allen Dingen kann sie prima zuhören, selbst dann, wenn sie gar nichts versteht. Inzwischen weiß sie aber schon, was ein Zweistrahltriebwerk ist.« Zweifellos eine wesentliche Ergänzung ihrer Allgemeinbildung!
Anfangs war es zwischen den Zwillingen zu offener Rivalität gekommen, denn auch Katja hatte ein Auge auf Jens geworfen. Er war vom ersten Tag an tonangebend in der Klasse gewesen, wohl hauptsächlich deshalb, weil er drei Jahre lang in Mexiko gelebt hatte und noch ein bißchen Spanisch sprach. Die recht zahlreichen Ermahnungen der Lehrer, doch sein Temperament etwas zu zügeln, pflegte er mit spanischen Sätzen zu beantworten, die niemand verstand. Ein paar besonders klangvolle brachte er auch Nicki bei, die nun ihrerseits bei passenden und häufiger noch bei unpassenden Gelegenheiten damit glänzte. Es dauerte ziemlich lange, bis uns ein sprachkundiger Mitmensch darüber aufklärte, daß es sich bei diesen so melodisch klingenden Worten um ganz ordinäre Beschimpfungen handelte.
In der ersten Zeit hatte Nicole ihren Jens zunächst nur von weitem angehimmelt, während Katja ihre Sympathie offen zur Schau getragen und damit scheinbar Erfolg gehabt hatte. Jens trug ihr eines Tages den Ranzen in den Zeichensaal und spendierte ihr nach Schulschluß ein Eis.
»Du bist ganz gemein!« heulte Nicki beim Mittagessen, »manchmal wünschte ich wirklich, ich hätte gar keinen Zwilling!«
»Na, ob das so gut wäre?« parierte Katja. »Dann hätt'ste doch jetzt zwei Köpfe!«
Bei näherer Bekanntschaft mußte Jens aber festgestellt haben, daß die quirlige Katja wohl doch nicht die passende Ergänzung für ihn sein würde. Sie trug ihr Schicksal als abservierte Braut mit Fassung. »Wenigstens kriege ich einen netten Schwager, das ist doch auch was wert!«
Der Hochzeitstermin steht übrigens noch nicht fest.
Die beiden Heiratskandidaten haben gerade die Grundschule beendet.
Jens informierte sich zunächst einmal über Art und Zweck unseres Treibens und brachte System in die ganze Sache. Innerhalb kürzester Zeit hatte er es geschafft, daß die sortierten Bücherstapel kunterbunt auf einem Haufen lagen, während er selbst sich in einen Reisebericht über Hinterindien vertiefte.
Die beiden Maler waren nun endlich mit dem Deckenanstrich fertig. »Mittagspause!« sagte Sascha. »Was gibt's zu essen?«
»Gar nichts«, sagte ich. »Ihr wollt doch um drei Uhr fertig sein.«
»Sind wir aber nicht. Paps rührt immer noch in seinen Farbtöpfen herum. Vorhin hatte er eine prima Wasserleichentönung hingekriegt.«
Sven holte beim Metzger kalte Ripple, beim Bäcker Brötchen, bei der Imbißstube Pommes frites. Für sich selbst hatte er eine doppelte Portion mitgebracht.
»Dummheit frißt, Intelligenz säuft!« bemerkte Sascha und warf Eiswürfel in sein Bierglas.
Die Mahlzeit verlief friedlich, hauptsächlich deshalb, weil die sonst üblichen Tischgespräche über zweifelhafte Manieren und vermeintliche Gefräßigkeit mangels geeigneter Anschauungsobjekte diesmal unterblieben. Wir hockten verstreut im Garten auf mehr oder weniger improvisierten Sitzgelegenheiten und kauten Rippchen. Plötzlich kam Daniel durch die Hecke gekrochen, der vierjährige Enkel unserer Nachbarin. »Will auch Pommes!«
»Komm her, ich schaffe meine sowieso nicht!« Nicki winkte aufmunternd mit der Kuchengabel. Daniel setzte sich in Bewegung, umrundete vorsichtig drei Bücherbretter, stiefelte über mehrere Kaktustöpfe, kroch unter dem Tisch durch und landete im Rosenbeet. Ohrenbetäubendes Gebrüll. Frau Keks kam durch die Gartentür geschossen, fischte ihren Enkel aus den Blumen, besah sich die beiden kleinen Kratzer am Arm, brach in Wehklagen aus und verkündete, sofort Salbe und Verbandzeug holen zu wollen. Daniel hörte auf zu heulen, schniefte kurz und marschierte mit Zielrichtung
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