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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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voluminösen Preises auf die Mitnahme verzichtet. Verdenken konnte ich es ihm nicht. Na schön, dann würde das Rad eben zum Flohmarkt gerollt werden. Vielleicht fand es dort einen Liebhaber.
    Sascha steckte den Kopf durch die Tür. »Na, lebst du noch?«
    »Ja, aber nicht mehr lange. Kannst du mich für zehn Minuten ablösen? Es ist sowieso nicht mehr viel los, und ich will mal eben eure Kaffeestube frequentieren.«
    Sascha schüttelte energisch den Kopf: »Laß das lieber bleiben! Ist das reinste Fossilien-Treffen. Da sitzen lauter alte Tanten und reden über ihre Krankheiten. Ich hole dir schnell einen Kaffee. Den kriegst du übrigens gratis. Anordnung von Frau Thiemann!«
    Mein Sohn entwetzte und stieß mit einem sehr beleibten Herrn zusammen, der sich mit einem Taschentuch den Schweiß von seiner Glatze wischte.
    »Hierjeblieben, Jungchen, sowat wie dich han ich jrad jesucht. Ich han nämlich dat schöne Rad da jewonnen, un dat kannst du mir gleich mal zu meinem Wagen bringen. Kriegst auch en Mark dafür, ich laß mich ja nich lumpen.«
    »Das schaffe ich aber nicht alleine«, protestierte Sascha.
    »Du bist doch en groß Kerlche, dat schaffst du schon. Wie ich so alt war wie du, da han ich schon in'n Pott jeschuftet.« Dann wandte er sich an mich: »Wissen Se, Ich bin nämlich nich von hier, ich komm aus Castrop-Rauxel. Wat'n Glück, dat ich hier vorbeijekommen bin, wo ich doch eijentlich nur en Bierchen trinken wollte. Un zwei Lose han ich bloß jekauft. Dat annere war en Niete. Über dat schöne Reiseandenken wird sich mein Frau freuen. Wir stelle dat vor unsere Laube direkt neben die Petersilie. Dat jibt en prima Farbfleck!«
    Etwas später entdeckte ich Sascha auf dem Parkplatz, wie er zusammen mit Manfred verzweifelt nach dem dunkelblauen Auto mit der Delle im Kotflügel suchte: »Dieser Trottel hat vergessen, uns die Wagennummer zu geben.«
    Wie die beiden ihr Rad losgeworden sind, weiß ich nicht mehr, jedenfalls gabelte mich Sascha schon kurze Zeit später in der Cafeteria auf und forderte mein unverzügliches Erscheinen beim Flohmarkt: »Der Frau Müller ist schlecht geworden, und Andys Mutter schafft das nicht alleine. Du hast doch auch ein bißchen Ahnung von Antiquitäten.«
    Antiquitäten nannte der Knabe diesen Trödel! Trotzdem war dieser Stand am meisten umlagert, hauptsächlich von jugendlichen Interessenten, die nach preiswerten Geschenkartikeln für die Verwandtschaft fahndeten. Zwei einzelne Suppenteller mit Goldrand wechselten gerade für fünfzig Pfennig den Besitzer. Ein kleines Mädchen stopfte sie befriedigt in eine Plastiktüte: »Die sin für mei Oma. Dere ihre sehe fascht genauso aus, un sie schmeißt allweil welche runner.«
    Ein weiblicher Teenager durchwühlte den Garderobenständer und entschied sich für einen rosa Fummel mit Rüschenärmeln, der vor vierzig Jahren einmal modern gewesen war:
    »Wo kann ich des oprobiere?«
    »Auf'm Klo!« antwortete Sascha prompt.
    Offenbar hatte das Kleid gepaßt, denn die Interessentin wollte wissen, was es kostet. Ich wandte mich hilfesuchend an Sascha: »Sind fünf Mark zuviel?«
    »Bist du verrückt? Laß mich mal ran!«
    Abschätzend betrachtete er die Kundin: »Du hast dir ja zielsicher das teuerste Stück herausgesucht, aber eins muß man dir lassen: Geschmack hast du! Zu deinen dunklen Haaren muß das Kleid echt gut aussehen. Halt's dir mal an!«
    Geschmeichelt drückte sich das Mädchen die rosa Scheußlichkeit vor den Bauch.
    »Siehst Klasse aus!« Anerkennend pfiff Sascha durch die Zähne.
    »Für dreißig Mark kannst du es haben.«
    »Ich hab awer bloß noch dreiundzwanzig.«
    »Dann pump dir doch etwas. So eine günstige Gelegenheit findest du so schnell nicht wieder. In einer Boutique müßtest du das Dreifache bezahlen.«
    Das Mädchen nickte. »Leg's mol zurück, ich komm gleich wieder!«
    Sie kam auch tatsächlich und blätterte siebenundzwanzig Mark und vierzig Pfennig auf den Tisch.
    »Mehr hawe ich net ufftreiwe könne, die annere sin a alle scho pleite.«
    Sascha strich das Geld ein und meinte gönnerhaft: »Na schön, weil du es bist. Und halt die Klappe, sonst wollen hier alle Sonderpreise haben! Aber 'ne Tüte kannste nicht auch noch verlangen!«
    »Isch a net nötig, ich geh sowieso nach Haus. Un recht schönen Dank a noch!«
    Ich hatte die Verkaufsverhandlungen mit zunehmender Empörung verfolgt, aber nicht gewagt, sie zu stören. Jetzt ging ich auf Sascha los: »Bist du denn wahnsinnig geworden? Du kannst doch für

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