Jeans und große Klappe
eine Lupe ein, weil er unbekannte Insekten zu finden hoffte. Sascha verstaute einen Korkenzieher im Koffer: »Damit wir die Chiantiflaschen aufkriegen! Wir fahren ja nicht umsonst nach Italien!«
Nach langen Beratungen hatten sich alle Eltern auf ein Taschengeld von fünfzig Mark geeinigt, die nur für den persönlichen Bedarf gedacht waren. Ausflüge und sonstige Extras würden aus der gut gefüllten Gemeinschaftskasse bezahlt werden.
Nachdem zu mitternächtlicher Stunde der vollklimatisierte Reisebus mit seinen winkenden und brüllenden Insassen den Schulhof verlassen hatte – wohlversehen mit väterlichen Ermahnungen und mütterlichen Freßpaketen –, blieben unsere Sprößlinge vierzehn Tage lang verschollen. Die Ansichtskarten, gewissenhaft geschrieben und frankiert, waren allesamt erst drei Tage vor der Rückreise eingesteckt worden und trafen eine Woche später ein. Allerdings enthielten sie auch nur so bedeutungsvolle Mitteilungen wie:
»Wir kriegen jeden Morgen gelbe Marmelade!« oder: »Berge sind von unten viel eindrucksvoller als von oben, vor allen Dingen, wenn man dauernd auf sie rauf kraxeln muß.«
»Die Thiemanns waren ganz große Klasse«, erklärten die beiden Heimkehrer, »sie haben uns an der langen Leine laufen lassen, und Herr Thiemann hat nicht mal gemeckert, als er die Zigarettenkippen in der Niveadose entdeckt hat. Gemotzt hat er bloß, als wir den Edwin heimlich in sein Zimmer geschleift haben. Na ja, kann man ja verstehen, der Kerl war nämlich sternhagelvoll!«
Abgesehen von dieser unvorhergesehenen Alkoholleiche – »Der verträgt ja nicht mal Leitungswasser!« – schienen diese beiden Wochen ein ungetrübtes Vergnügen und die gemeinsame Reisekasse unerschöpflich gewesen zu sein. So hatte man nicht nur eine Tagestour nach Venedig inklusive Gondelfahrt unternommen, auch ein Abstecher nach Bozen konnte finanziert werden, eine Dolomitenrundfahrt und ein SpaghettiEssen mit unbegrenztem Nachschub. Anläßlich einer Bergwanderung sollte ein großes Picknick stattfinden, weshalb man beim Metzger telefonisch hundert Würstchen orderte, um sie unterhalb des Gipfelkreuzes zu braten. Aufgrund eines sprachlichen Mißverständnisses wurden aus den hundert Würstchen hundert Paar, die bei schweißtreibender Hitze den Berg hinauf- und zur Hälfte wieder heruntergeschleppt wurden. Daß die unwissenden Herbergseltern den vermeintlich ausgehungerten Wandervögeln zum Abendessen Kartoffelsalat mit Würstchen servierten, war allerdings nicht programmiert gewesen.
Trotz dieses reichhaltigen Vergnügungsprogramms war es nicht gelungen, das so schwer verdiente Geld restlos auszugeben. Es war sogar noch eine ganze Menge übriggeblieben. Frau Thiemann beschloß, nun auch einmal etwas für die kulturelle Weiterbildung ihrer Schutzbefohlenen zu tun, und verordnete ihnen den gemeinsamen Besuch einer Vorstellung der Mannheimer Städtischen Bühnen.
Die Jünglinge zwängten sich widerwillig in ihre schon etwas engen Konfirmationsanzüge, die Mädchen plünderten mütterliche Kleiderschränke und Kosmetikbestände, und solcherart gerüstet bestiegen sie zu angemessener Stunde den gecharterten Bus, der sie zu dem Musentempel bringen sollte.
Bei dem auserwählten Stück handelte es sich um eines jener modernen Werke, dessen Sinn auch kundigeren Theaterbesuchern häufig verborgen bleibt, und so langweilten sich die ohnehin nicht sehr kunstbeflissenen Abkommandierten einen Abend lang vor sich hin.
Das Geld war noch immer nicht alle.
Am letzten Wochenende vor den großen Ferien wurde deshalb vor den Toren der Stadt ein Zeltlager improvisiert, wo man sich nach Kräften bemühte, das noch verbliebene Bare in Form von gegrillten Steaks, Würstchen und alkoholfreien Getränken zu konsumieren. Aber selbst die mit einem ungeahnten Fassungsvermögen ausgestatteten Teenagermägen streikten angesichts der gekauften Vorräte.
Ein Kassensturz am nächsten Schultag ergab einen Restbestand von DM 87,30. Er wurde durch freiwillige Spenden auf hundert Mark aufgestockt und in dem Bewußtsein, nun auch noch etwas Gutes zu tun, einer wohltätigen Organisation überwiesen. Jetzt hatten die Sorgenkinder auch noch ihren Anteil an verkauften Häkeldeckchen und Blumenvasen bekommen. Und wie gerne hatte man ihn geopfert!
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Eines Tages hatten wir auch wieder eine Hausgehilfin – ein Familienzuwachs, mit dem ich zuerst gar nichts anzufangen wußte. Mittlerweile hatten wir uns alle daran gewöhnt, verlegte Gegenstände
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