Jeans und große Klappe
diesen alten Fetzen nicht so ein Heidengeld verlangen!«
»Warum denn nicht? Sie hat es doch bezahlt. Du mußt immer erst einen höheren Preis fordern und dich dann herunterhandeln lassen! Aber es gibt auch ein paar Idioten, die anstandslos bezahlen. Die meisten wollen allerdings schachern.«
»Ich dachte immer, derartige Manipulationen sind nur in orientalischen Basaren üblich.«
Sascha zuckte mit den Achseln: »Ist das hier vielleicht etwas anderes? Moment mal, da interessiert sich jemand für das Sofakissen. Ich dachte schon, das wird ein Ladenhüter.«
Auch dieses schon etwas lädierte Stück mit gehäkelten Sonnenblumen und dunkelbrauner Samtumrandung wechselte nach längerem Feilschen den Besitzer.
»Wieder vier Mark mehr«, frohlockte Sascha, als er die Münzen in die schon überquellende Zigarrenkiste fallen ließ. »Zweimal hat Frau Thiemann schon abkassiert, und jedesmal hat sie über fünfhundert Mark mitgenommen. Vielleicht sollte man sich auf einen Gebrauchtwarenhandel spezialisieren. Dafür habe ich anscheinend mehr Talent als für Mathe.«
Sascha erwies sich wirklich als Verkaufsgenie. Er hätte jedem Marktschreier Konkurrenz machen können, und als ihm jemand noch ein Megaphon in die Hand drückte, übertönte seine Stimme sogar die Jaultöne, die aus der Diskothek schallten.
Abends war er heiser, obwohl ihn mitfühlende Klassenkameradinnen laufend mit Kamillentee versorgt hatten, den sie in der Kaffeeküche jedesmal frisch aufbrühten.
»Was tut man nicht alles für die Gemeinschaft«, krächzte der Starverkäufer, schluckte Halstabletten und sonnte sich in der allgemeinen Bewunderung, die man ihm zollte.
Der Reinerlös dieses Schulfestes hatte alle Erwartungen übertroffen und bewegte sich an der Grenze einer fünfstelligen Zahl. Ein Viertel dieser Summe hatte allein der Flohmarkt erbracht.
»Weißt du noch, wie du herumgeunkt hast?« erinnerte mich Sven, pflanzte ein Fleißiges Lieschen in den gläsernen Nachttopf (beide hatten sich als unveräußerlich erwiesen) und deponierte den so geschaffenen Blumentopf auf der Terrasse, wo er so lange ein zweckentfremdetes Dasein führte, bis ihn ein verirrter Fußball in ein Dutzend Einzelteile zersplitterte.
Wenn ich mir nun eingebildet hatte, nach diesem so erfolgreich verlaufenen Basar würde der normale Schulalltag wieder einkehren, so wurde ich schnell eines Besseren belehrt.
Nunmehr befaßte man sich mit der bevorstehenden Reise. Weitere Elternabende fanden statt. Thema: Wieviel Taschengeld soll man den Kindern bewilligen, welche Kleidung brauchen sie, dürfen sie rauchen, und welche Freiheiten soll man ihnen überhaupt zugestehen? Besonders in diesem Punkt schieden sich die Geister. Jedenfalls stellte ich fest, daß es wesentlich unproblematischer ist, männliche Teenager auf die Reise zu schicken als weibliche.
Frau Kramer, Mutter eines etwas frühreifen Mädcbens, bestand auf absoluter Kasernierung der Schüler und bewilligte Ausflüge ohne Lehrkraft nur in Gruppen von mindestens sechs Personen:
»Dann kann wenigschtens nix passiere!«
»Was könnte denn nach Ihrer Ansicht sonst passieren?« wollte Frau Thiemann wissen.
Frau Kramer errötete zart und wand sich wie ein Regenwurm: »Nun ja, schließlich sin's doch koi Kinner mehr.«
»Diese Kinder kennen sich seit Jahren, gehen gemeinsam zur Schule, zum Schwimmen und in ihre Radauschuppen. Wenn bis jetzt nichts passiert ist, wird im Landschulheim auch nicht gerade der sexuelle Notstand ausbrechen«, konterte Frau Thiemann.
»Da Sie sich offebar der Tragweit Ihrer Verantwortung net bewußt sin, zieg ich es vor, meine Marianne not mitfahre zu lasse!« Frau Kramer blickte beifallheischend und wartete auf Zustimmung. Die blieb aus.
»Dann derf ich mich wohl verabschiede!« Sprach's und stelzte hinaus.
Frau Thiemann zündete sich eine neue Zigarette an. »Es steht natürlich jedem frei, die Teilnahme an dieser Reise zu verweigern. Ich muß aber darauf hinweisen, daß der Landschulheimaufenthalt im Rahmen des Schulunterrichts stattfindet und Schüler, die nicht mitfahren, regulären Unterricht haben. Sie werden dann auf andere Klassen verteilt.«
Marianne und ihre beiden Busenfreundinnen blieben zu Hause. Die übrigen Schüler trafen Reisevorbereitungen. Rucksäcke wurden gekauft oder ausgeliehen, Wanderschuhe anprobiert und als inzwischen zu klein geworden an Klassenkameraden mit niedrigerer Schuhnummer weitergegeben, Kartenstudium betrieben und Umrechnungskurse ermittelt. Sven packte
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