Jeans und große Klappe
Mäurer ließ es sich nicht nehmen, in der Küche auch sonntags die Fliesen zu scheuern, und das unter völliger Mißachtung einschlägiger Fernsehwerbung sogar auf Knien und mit der Wurzelbürste.
Ich konnte zwar sicher sein, daß es im ganzen Haus keinen schmutzigen Winkel mehr gab – sogar die Kakteen waren unter Zuhilfenahme einer Fahrradpumpe vom Staub befreit worden –, aber es gab auch keine Gemütlichkeit mehr. Wir begannen also ernsthaft zu überlegen, wie wir unsere übereifrige Haushaltshilfe wieder loswerden könnten. Es fiel uns nichts ein.
Frau Mäurer schien ähnliche Gedanken zu haben. Einmal fragte sie mich, ob sie sich wohl als Spanischlehrerin in der Volkshochschule eignen würde, ein andermal wollte sie wissen, wie die Verdienstmöglichkeiten für Kellnerinnen seien. Ich hatte von beidem keine Ahnung.
Aber dann schien das Schicksal endlich ein Einsehen gehabt und Frau Mäurer auf den richtigen Weg geschickt zu haben. Es war übrigens jener Pfad, der zum Waldsee führt. Dort begegnete sie einem Herrn, der nicht nur alleinstehend, sondern in höchstem Grade an ihr interessiert war, weil er nämlich gerade für seine Villa eine Hausdame suchte. Selbige habe lediglich das Personal zu beaufsichtigen und in Abwesenheit des Hausherrn besagte Villa zu hüten. Voraussetzung sei allerdings, daß sie das Wächteramt in spätestens zwei Wochen antreten könnte.
»Wo wohnt denn dieser Herr?« fragte Rolf. »Irgendwo im Taunus, es muß ein ganz kleiner Ort sein.«
»Und wie lange kennen Sie Ihren neuen Arbeitgeber schon?«
»Nun, wir haben uns nur ein paarmal getroffen, aber es handelt sich um einen sehr soignierten Herrn. Was er mir über sich und sein Leben erzählt hat, klang alles äußerst distinguiert. Er besitzt eine Textilfabrik, die er jetzt seinem Teilhaber übergeben möchte, weil er sich nur noch seinen Liebhabereien widmen will, Kunst und Kultur, Reisen und so weiter. Dinge also, für die auch ich mich seit jeher interessiere. Wir harmonieren sehr gut zusammen, natürlich auf rein geistiger Ebene.«
Heißa, da hatte sie es uns Kulturbanausen aber gegeben! Ihre sehr oft geäußerte Schwärmerei für Richard Wagner und seine Werke hatte einen erheblichen Knacks bekommen, seit Rolf ihr einmal unverblümt erklärt hatte, des Meisters gewaltige Tonschöpfungen empfinde er als erdrückend. »Die Götterdämmerung zum Beispiel ist eine Oper, die um sechs Uhr beginnt, und wenn sie drei Stunden gedauert hat, sieht man auf die Uhr, und es ist sechs Uhr zwanzig!«
Seitdem lehnte es Frau Mäurer ab, mit uns über kulturelle Ereignisse im allgemeinen und über Richard Wagner im besonderen zu diskutieren. Nach ihrer Ansicht hatten wir ohnehin kein Musikverständnis, weil wir nicht schon längst unseren Nachwuchs oder doch wenigstens dessen unaufhörlich dudelnden Plattenspieler und Recorder aus dem Haus geworfen hatten. In diesem Punkt stimmte ich zwar völlig mit ihr überein, fürchtete aber, daß derartig drakonische Maßnahmen die Liebe meiner Söhne zu klassischer Musik auch nicht gerade fördern würden.
Frau Mäurer begehrte also eine vorzeitige Lösung ihres Arbeitsverhältnisses, womit sie unseren eigenen Wünschen durchaus entgegenkam. Rolfs Bedenken, sie ließe sich doch wohl auf eine sehr unsichere Sache ein, tat sie mit einem Achselzucken ab. »Ich bin alt genug, um selbst auf mich aufzupassen. Außerdem hat mich das Leben Menschenkenntnis gelehrt, ich täusche mich selten.«
Diesmal schien sie sich aber doch getäuscht zu haben. Nach einem gemessen-kühlen Abschied war sie wenige Tage darauf verschwunden, ohne eine Adresse zu hinterlassen oder sich – wie vorher zugesichert – in Kürze zu melden. Ich begegnete ihr erst wieder, als ich während eines Einkaufsbummels in Heilbronn vor einem Gewitterschauer in ein kleines Café flüchtete und sie mit Häubchen und Tändelschürze hinter dem Kuchenbüfett entdeckte. Etwas verstört trabte ich zurück in den Regen. Vielleicht hatte sie mich noch nicht bemerkt.
Nun war die Familie also wieder unter sich, beglückt, Frau Mäurers Ordnungswahn entronnen zu sein, weniger beglückt, weil sie jetzt wieder alles selbst tun mußte. Präzise ausgedrückt: Weil ich jetzt wieder alles selbst tun mußte.
Furchte ich mit dem Rasenmäher Schneisen in die Kleekulturen, rief Sascha ganz entsetzt: »Aber Määm, du sollst doch in dieser Hitze nicht den Rasen schneiden! Wo ist denn Paps?«
Brütete ich über irgendwelchen Rechnungen, so beugte sich mein
Weitere Kostenlose Bücher