Jede Sekunde zählt (German Edition)
ihnen zeigen, wie schön die Welt vom Sattel eines Fahrrads aus aussieht. Ich will ihnen zeigen, warum Spanien für mich ein Paradies ist. In Spanien lernt man Design als Offenbarung kennen: Von weiten Plätzen gelangt man auf stille Innenhöfe, hinter Mauern öffnen sich verschwiegene Winkel, plätschern verborgene Brunnen und hängt grüner Farn von altem Mauerwerk. Gässchen führen hinaus auf Straßen und weiter auf weite Plätze und offene Ramblas, die hinausblicken auf sichelförmige Strände und Häfen, aus denen die Mastenwälder der vor Anker liegenden Segelyachten aufragen und man das metallische Schlagen der Takelagen im Wind hört.
Auf dem Fahrrad weißt du nie, was hinter der nächste Biegung kommt, ein Ausblick, der sich plötzlich vor einem auftut, oder die Alpen, hinter denen das blaue Mittelmeer leuchtet. Auch mit 50 werde ich wahrscheinlich noch bei jedem Wetter rausgehen und Rad fahren. Ich werde jeden Fetzen Stoff anziehen, den ich besitze, und mich einfach aus Spaß an der Freude und an der Aussicht aufs Fahrrad setzen.
Das Fahrrad ist das sehnsüchtig erwartete erste Transportmittel all jener von uns, deren Herzen gerne mit ihnen durchgehen. Unser erstes Fahrrad ist eine Sache der über Bordsteine springenden und durch Pfützen platschenden Befreiung; ein Fahrrad bedeutet Freiheit von Beaufsichtigung, von Fahrgemeinschaften und von elterlichen Ausgangssperren. Es ist die gnädige Erlösung aus der Abhängigkeit von den Eltern, der eigene Weg ins Kinooder ins Haus eines Freundes. Einfacher ausgedrückt, es ist unsere erste Chance, ein eigenes Ziel zu wählen.
Ein Fahrrad ist die erste mit Rädern ausgestattete Maschine, die wir selbst steuern, und vielleicht rühren daher die intensive Zuneigung und die eigenartig konkreten Erinnerungen, die uns mit den Fährrädern verbinden, die wir besessen haben. Ich selbst habe freilich unzählige Fahrräder gehabt, aber wie alte Freunde bleiben sie doch alle bei mir. Die körperliche Vertrautheit, die man zu seinem eigenen Fahrrad entwickelt, ist etwas, was man auf keinem anderen Fahrrad empfindet, und mag es sich noch so angenehm fahren. Es gibt Zeiten, in denen ich schwöre könnte, mein Fahrrad wäre lediglich eine Verlängerung meiner Arme und Beine. Auch nach all den Jahren habe ich immer noch eine schwache Erinnerung daran, wie sich mein erstes Fahrrad, ein Schwinn, anfühlte, wie mir die Gummihandgriffe in den Händen lagen und wie ich durch die Sohlen meiner Schuhe die Pedalzähne spürte.
Selbst mitten an einem harten Tag auf dem Rad erfüllt mich unter den Schmerzen und den Anstrengungen ein Gefühl der Erleichterung und Freude darüber, dass ich wieder Rad fahren kann. Ich fahre als Beweis dafür, dass auch in unserer wissenschaftlichen und hoch technisierten Welt der menschliche Körper immer noch ein Wunder ist. Beim Radfahren schützt dich keine Außenhülle aus Metall und Glas vor den Elementen. Nur deine dünnen Trikots liegen zwischen dir und der Natur, und ebendeshalb ist unser Sport ebenso sinnlich wie strapaziös. Der Radfahrer erfährt große Schönheiten, gewaltige Ausblicke und die berauschende Glückseligkeit einer Bergabfahrt. Aber der Körper muss für das Radfahren auch büßen, einen Tribut für die Schönheit der Fahrt zollen, einen Tribut, der den Radfahrer unablässig daran erinnert, dass er Mensch ist.
Ein Fahrrad wird, gleichgültig, wie ausgeklügelt die Technologie oder wie hoch entwickelt die Komponenten, aus denen es besteht, nur von einem Körper in Fahrt gebracht. Ein Fahrrad hat etwas Fundamentales an sich: ein Rahmen mit einer Kurbel und zwei Pedalen,eine Kette und zwei Räder, angetrieben nur von deinen eigenen Beinen. Auf einem Fahrrad bist du mit deiner Kraft unterwegs, geleitet von deiner eigenen Hand, bist du selbst Rad und Motor.
Bislang jedoch sehne ich mich immer noch nach dem Rennen. Mir ist klar, dass wir nur ein paar Versuche haben, und dies könnte durchaus meine letzte Chance sein, es zu gewinnen... Es nochmals zu gewinnen.
Ein Sportler muss nach einer Möglichkeit suchen, wie er nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen um sich herum bereichern kann. Andernfalls sind seine Bemühungen zwecklos.
Ich bin immer noch dabei herauszufinden, was ich für andere Menschen sein und tun kann und was nicht. Ich kann ein Glücksbringer sein, ein Hoffnung spendendes Beispiel, ein Gefährte im Leid, ein Ratgeber in der Not und ein guter Zuhörer. Ich kann versuchen, die Tour de France immer und
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