Jede Sekunde zählt (German Edition)
geht darum, den Ball mit aller Kraft abzuschlagen, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren. Und wenn du ihn verhauen hast, dann zieh los, such deinen Ball, und versuch es nochmal... Wie man sein Leben lebt, die Perspektive, aus der man es betrachtet, ist eine Entscheidung, die man jeden Tag aufs Neue trifft, eine Entscheidung, die jeder von uns ganz alleine für sich trifft.
Die Ranch, die ich zusammen mit meinem Schwiegervater Dave Richard gekauft habe, steht auf einem Bergrücken in der Nähe eines Ortes namens Dripping Springs. Ich habe damals das über 80 Hektar große Grundstück auf den Namen »Mirasol« – »die Sonne sehen« – getauft. Wir haben vor, das Haus auf der höchsten Stelle zu bauen und so auszurichten, dass es die Sonne einfängt, wenn sie – im Sommer später, im Winter früher – hinter dem Horizont versinkt.
Das allererste Mal, als ich hinaus zum Dead Man’s Hole kam, schritt ich die Klippe mit Dave ab. Ich sah mir den Wasserfall an und machte ein Foto davon. Der Wasserfall ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder sah ich mir das Foto an. Schließlich zeigte ich es Kik und sagte: »Ich werde von da runterspringen.« Worauf sie nur meinte: »Okay.«
Später fuhr ich wieder hinaus auf das Grundstück, dieses Mal mit Dave und Ryan Street, einem befreundeten Architekten, der unser Ranchhaus entwirft. Nachdem wir einige Zeit damit verbracht hatten, die Lage des Hauses abzuklären, stiegen wir in den Geländewagen und fuhren durch das Buschwerk hinunter zum Dead Man’s Hole. In einem Eichenwäldchen stellten wir den Wagen ab und gingen den Rest der Strecke bis zum Becken zu Fuß. Ryan und ich gingen ins Wasser, um zu sehen, wie tief es war. Ryan tauchte tief hinunter und kam prustend wieder hoch.
»Ich bin runter, bis mir die Ohren geklingelt haben«, sagte er.
»Vielleicht solltest du noch tiefer hinuntergehen«, meinte ich unsicher.
»Willst du, dass ich die Taucherkrankheit kriege?«, gab er zurück.
Ryan und ich stiegen die Klippe hinauf und kletterten auf der Suche nach einem geeigneten Platz zum Springen ein bisschen herum. Schließlich fanden wir den Platz, nach dem wir gesucht hatten. Ich stand am Abgrund, meine Knie weich wie Gummi, meine Kehle völlig ausgedörrt.
»Fass mich bloß nicht an«, sagte ich zu Ryan.
»Ich stehe zwei Meter hinter dir«, erwiderte er.
Ich ging in die Knie und lugte über den Rand. »Oh Mann«, sagte ich.
Unter uns sah ich Dave neben dem Wasser auf einem umgestürzten Baum sitzen.
»Hey!«, brüllte ich über das Rauschen des Wasserfalls zu ihm hinunter. »Warum springst du nicht?«
»Weil ich nächstes Jahr in Rente gehe«, schrie er zurück. »Davon will ich noch was haben.«
Ich musste lachen. Dann richtete ich mich auf und sprang. Ich fiel und fiel noch tiefer. Ich fing an, wie wild mit den Armen zu rudern, bis ich mich daran erinnerte, dass ich sie eng an den Körper pressen musste. Als meine Turnschuhe die Wasseroberfläche durchstießen, klang es, als würde ich Beton durchstoßen.
Lachend tauchte ich auf. Vom Ufer her konnte ich Dave applaudieren hören. Ich kletterte heraus und trocknete mich ab, dann stiegen wir zusammen hinauf zu Ryan. Hinter einer Weide mit hohem, sich im Wind wiegendem Roggengras stießen wir auf einen kleinen Bach mit einem aufgestauten Fischweiher und legten eine Pause ein.
Ich setzte mich auf einen Felsen und suchte im Wasser nach Fischen, als ich eine Libelle von reinstem Rot, auch die Flügel waren rot, entdeckte. Und gleich darauf gesellte sich eine blaue Libelle zu ihr. Voller Erstaunen sah ich zu, wie die zwei schillernden Wesen einander umschwirrten. »Wo ist die weiße?«, wunderte ich mich laut. Und dann, aus reiner Lust an der Freude, stimmte ich mit voller Lautstärke die amerikanische Nationalhymne an, sodass meine Stimme von den Felswänden der kleinen Klamm widerhallte.
Ich war geradezu betrunken vor Glück, fühlte mich, als hätte ich eine neue Haut. Der Sprung hinunter ins Dead Man’s Hole hatte mich erfrischt, eine Frische, ausgelöst von der Angst, einer reinigenden und klärenden Angst, die die Sinne schärft und alles schärfer hervortreten lässt. Wie bereits gesagt, ein wenig Angst tut einem gut – vorausgesetzt, man kann schwimmen.
Beileibe nicht jeder war mit dieser Methode, meinen Puls zu beschleunigen, einverstanden, insbesondere nicht mein Freund Bill Stapleton, der zugleich auch mein Anwalt und Agent ist und demzufolge ein gewisses persönliches Interesse an meiner Zukunft
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