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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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der Manier eines John Wayne ein Stück Papier unter die Nase hält, als handele es sich dabei um einen Durchsuchungsbefehl, und verkündet, dass ich mich einer Dopingkontrolle unterziehen muss, wenn ich nicht riskieren will, von meinem Sportverband ausgeschlossen zu werden.
    Die Dopingkontrolleure in Austin sind jedes Mal dieselben Leute, ein Ehepaar, deren Namen ich nicht weiß und die ich auch nicht gerade sonderlich freundlich behandle, weil sie mich niemals freundlich behandelt haben. Sie klingeln an der Tür, ich öffne, sie sagen »Dopingkontrolle«, drücken mir ein Stück Papier in die Hand und klären mich über meine Rechte auf. Beziehungsweise über meinen Mangel an Rechten: Sollte ich die Untersuchung nicht vornehmen lassen, würde das automatisch als ein positiver Befund gewertet und ich vom Radsportverband ausgeschlossen.
    Mehr noch, ich muss die USADA zu jeder Zeit darüber informieren, wo ich mich aufhalte. Gleichgültig, wohin ich gehe. Wann immer ich meinen Aufenthaltsort wechsle, muss ich sie per Fax oder E-Mail darüber unterrichten. Kein Wunder, wenn ich mir vorkomme, als würde ich unter ständiger Überwachung stehen.
    Gleichgültig jedoch, wie viele Tests ohne Befund blieben, das Misstrauen mir gegenüber hielt sich hartnäckig, zumal in Frankreich. Seit meinem ersten Tour-Sieg 1999 waren die europäischen Medien hinter mir her. Während der Tour von 1999 wurde in der französischen Radsportgemeinde und Presse immer wieder gemunkelt, mein Comeback sei allzu wundersam, und ich müsse irgendein Mittel zu mir nehmen. Als sie glaubten, endlich etwas gefunden zu haben, gingen sie gleich zum Angriff über: Zur Behandlung einer vom Sattel wund gescheuerten Stelle benutzte ich eine Creme, die Corticosteroid enthielt, also meldete die Presse, ich wäre positiv auf ein verbotenes Steroid getestet worden. Aber das stimmte nicht. Was die kortisonhaltige Creme anging, hatte ich mir bereits vor dem Rennen unter Angabe sämtlicher Inhaltsstoffe von der Tour-Leitung die Erlaubnis zu ihrer Verwendunggeholt. Alle meine Dopingtests waren negativ, und auf meine Bitte hin veröffentlichte die Tour-Leitung alle meine Testergebnisse.
    Die Skepsis blieb auch während der Tour 2000 bestehen. Da hatte die französische Sportzeitung L’Équipe bereits mein Bild unter der Überschrift Les Deux Vitesses – Die zwei Geschwindigkeiten – abgedruckt. Worauf sie damit anspielte, war klar: dass ich mit einer anderen, unnatürlichen Geschwindigkeit fuhr.
    Der Hautacam, ein klassischer Anstieg der Großen Schleife, war in diesem Jahr für viele ein weiteres Indiz dafür, dass ich eine mysteriöse, leistungssteigernde Substanz zu mir nahm. Nichts anderes zumindest unterstellte mir Daniel Baal, der Präsident des französischen Radsportverbands (und designierte nächste Direktor der Tour de France), gegenüber der Presse, nachdem er mich an diesem Nachmittag auf dem Rad erlebt hatte.
    »Ich würde zu gerne wissen, was heute hier passiert ist«, tönte er. »Ich weiß nicht so recht, ob wir von einer neuen Methode sprechen müssen oder von einer neuen Substanz. Ich habe viele Fahrer gesehen, die Probleme bei den Anstiegen hatten, und das ist auch in Ordnung. Aber... muss ich begeistert darüber sein, wie das Rennen gewonnen wird?«
    Sosehr ich mich bemühte, die Untersuchung nicht persönlich zu nehmen, ich brachte es nicht über mich, die Sache distanziert zu betrachten. Französische Journalisten hatten es sich zur unangenehmen Gewohnheit gemacht, das ganze Jahr über vor meinem Haus in Nizza herumzulungern, selbst wenn nur Kik dort war. Ständig standen sie vor dem Haus, rauchten, starrten auf die Fenster oder widmeten sich ihrer Lieblingsbeschäftigung: vor aller Augen unverfroren unseren Müll durchstöbern.
    Meiner Meinung nach bestand, muss ich leider sagen, kein Zweifel daran, dass die Untersuchung zum Teil auf eine antiamerikanische Stimmung zurückging. Die Tour ist so französisch wie Sonnenblumen und Wein, und ich bin kein Franzose. Schlimmer noch, ich bin Texaner und seit der ersten Tour im Jahre 1903 derzweite amerikanische Tour-Sieger. Während ich zweimal in Folge die Tour gewonnen hatte, hatten die französischen Fahrer schlecht abgeschnitten. Es fiel mir schwer zu glauben, dass man mich nicht vor allem deshalb aufs Korn genommen hatte, weil ich erfolgreich und Amerikaner war. Ich fuhr auf einem in den USA hergestellten Rennrad, einem Trek, für einen amerikanischen Rennstall. Und ich trug ein Postal-Trikot in

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