Jede Sekunde zählt (German Edition)
der Mutterrolle. Sie machte es sich nicht einfach. So kaufte sie beispielsweise niemals Fertignahrung für die Babys; sie bestand darauf, dass die Kinder nicht dieses industriell verarbeitete Zeug bekamen, sie kochte frisches Gemüse und pürierte es selbst.
Obwohl wir Hilfe hatten, ein Kindermädchen, das von neun bis fünf im Haus war, und dazu noch eine Haushälterin, mussten wir kämpfen, nur um den Kopf über Wasser zu halten. Umabends nach Hause kommen zu können und nicht allzu viele wichtige Momente und Höhepunkte im Leben unserer Kinder zu verpassen, nahm ich immer häufiger ein Privatflugzeug.
Wenn ich nach einer längeren Abwesenheit wieder zur Türe hereinkam, Luke auf mich zusprang und mir den Kopf in den Bauch rammte, fühlte ich eine Welle von Energie in mir hochsteigen, und dann nochmals, wenn ich Grace und Isabelle hochhielt und sie mit gespannter Neugierde betrachtete. Sie veränderten sich praktisch von Tag zu Tag. Bald schon war Grace über Isabelle hinausgewachsen, und oft fragte ich mich mit wehem Herzen, was sonst noch alles ohne mich passiert war.
Luke bekam von Trek ein neues Kinderrad, und als er es das erste Mal sah, quiekte er hellauf begeistert »Neues Rad, neues Rad!«, hopste in den Sattel und fegte durch das Haus, wobei er sorgsam um die Möbel herumkurvte. Ich sah Kik an und meinte bloß: »Das ist unheimlich.«
Als er das erste Mal draußen mit dem Rad unterwegs war, fabrizierte er – ganz der Papa – gleich einen Sturz. Kik fuhr mit ihm in ein Wohngebiet, wo es kaum Verkehr gab und die Straßen glatt und eben waren. Luke war so aufgeregt, dass er den ganzen Weg über im Auto seinen Helm trug. Kaum angekommen, sprang er auf das Rad und raste mit vollem Tempo davon – und Kik hinter ihm her. Luke bog scharf links ab, jagte einen Berg hinunter und dann auf eine mit Kopfsteinen gepflasterte Einfahrt. Mit voller Fahrt schoss er über die Bodenschwelle, flog kopfüber vom Fahrrad und landete auf dem Gesicht. Eine Schrecksekunde später stand er wieder auf, lädiert und aufgeschürft und heulend... um sich dann die Nase an Kiks Schulter abzuwischen und gleich wieder auf sein Rad zu steigen. Wie gesagt, ganz der Papa.
Ich freute mich und war neugierig auf die Elternrolle und wollte ein Vater sein, der für seine Kinder da ist. Ich drückte mich nicht vor meiner Verantwortung. Ich respektiere und bewundere gute Väter, insbesondere meinen Schwiegervater. Auch an mich selbst hatte ich die Erwartung, ein guter Vater zu sein, und ichwidmete mich der Aufgabe mit vollem Einsatz – auch wenn ich nicht immer wusste, was das im Einzelnen genau bedeutete. Mir gefielen die kleinen väterlichen Aufgaben, die Mädchen vergöttern, Luke in den Kindergarten oder die Vorschule bringen, mit seinen Erziehern reden. Noch der kleinste Akt der Vaterschaft war mir von größter Wichtigkeit und symbolischer Bedeutung.
Aber ich machte die Entdeckung, ein wie harter Job das manchmal war. Mit drei Kindern auf einmal jonglieren und zudem noch meinen anderen Pflichten nachkommen war abwechselnd freudvoll, chaotisch und überwältigend. Manchmal waren da so viele kleine Menschen und Bedürfnisse, die beachtet und befriedigt sein wollten, dass ich nicht einmal die Zeit fand, aufs Klo zu gehen.
Eines Morgens, die Zwillinge waren noch ganz klein, war Kik wieder einmal völlig erschöpft davon, mit zwei Händen drei Kinder zu versorgen. Ich war mit dem Rad unterwegs und Kik ganz alleine zu Hause. Die Mädchen wechselten sich mit Schreianfällen ab, und Luke rannte wie wild durchs Haus.
Kik kam noch nicht einmal dazu, ein Baby lang genug hinzulegen, um ans Telefon zu gehen oder ihren Pyjama aus- und sich anzuziehen. Plötzlich klopfte es an der Tür. Kik, immer noch im Pyjama und auf jedem Arm ein Mädchen, ging an die Tür und öffnete. Es war Dave, ihr Vater. »Hi, Honey«, sagte er. »Ich hab angerufen und es dann auf dem Mobiltelefon probiert, aber du bist nicht rangegangen, also hab ich gedacht, ich schau einfach mal vorbei. Ich dachte, vielleicht könntest du eine helfende Hand gebrauchen.«
»Gott segne dich«, sagte Kik. »Hier, halt mal ein Kind.«
Eines Nachmittags, ich war gerade auf dem Rad unterwegs, klingelte mein Mobiltelefon. Mein Freund David Millar war dran, der großartige junge britische Radrennfahrer. Er war in Paris und hatte gerade ein paar Drinks gehabt und sich gedacht, er sollte mich mal anrufen.
»Bitte, sag mir nicht, dass du auf dem Rad sitzt«, meinte er. »Ich sitze auf meinem
Weitere Kostenlose Bücher