Jeden Tag ein Happy End
nicht. Geh von dem Geld lieber mit einem Mädchen schick essen.« Plötzlich sagte sie, dass sie Schluss machen müsse, und hatte auch schon aufgelegt. In diesem Augenblick klopfte Renée an meine Bürotür.
»Ich hab deine Kolumne zur Endkorrektur weitergegeben«, sagte sie.
Das tat sie normalerweise nie, bevor sie nicht mit ihrem Lektorat fertig war. Was eigentlich immer eine Tortur war, die sich über mehrere Stunden, manchmal sogar Tage hinzog.
»Du hast gar keine Anmerkungen dazu?«, fragte ich ungläubig und auch etwas stolz.
»Ich könnte mir sicher noch ein paar einfallen lassen«, antwortete sie mit einem drohenden Unterton. »Al wollte dich aber noch etwas fragen.«
»Captain Al!«, ließ sich Tony vernehmen. »Muss ja ein Wahnsinnsartikel sein, den du da abgeliefert hast.«
Al Macallisters außergewöhnlicher Liebe zum Detail bei der Korrektur der Artikel verdankte die Zeitung ihr hohes Ansehen bei den Kritikern. Sozialkompetenz war hingegen nicht unbedingt seine Stärke.
Ich rief ihn an. »Es geht um den Vorspann«, sagte Al. Oh Gott, mach mir den jetzt bitte nicht kaputt, ich habe so lange daran gefeilt.
Al las mir den Satz mit seiner unnachahmlichen, näselnden Stimme und ohne jede Betonung vor. » Mimi Martin war der Meinung, dass für sie in Sachen Liebe der Zug abgefahren sei. « Er schwieg kurz, bevor er mich auf mein sprachwissenschaftliches Vergehen hinwies.
»Welcher Zug?«, fragte er. »Welchen Zug hat Ms Martin verpasst?«
Die Grenzen zwischen einem akkuraten Lektor und einem pedantisch-pingeligen verschwimmen leider oft.
»Ich meinte damit keinen bestimmten Zug«, sagte ich und versuchte, mir meinen inneren John McEnroe – You cannot be serious! – nicht anmerken zu lassen.
»Aber du schreibst ›der‹ Zug, und das impliziert, dass es sich um einen bestimmten handelt«, antwortete er. »Wenn du da an keinen bestimmten Zug denkst, solltest du lieber ›ein Zug‹ daraus machen. Sonst sind deine Leser verwirrt und fragen sich, welchen Zug du meinst.«
Unsere Leser würden sich wohl höchstens fragen, auf welchem Planeten wir eigentlich leben.
»Es soll lustig sein«, versuchte ich verzweifelt, ihm die Sache darzulegen. Wenn man jemandem erst erklären muss, dass etwas lustig ist, verliert der Witz natürlich. »Das sagt man doch so: ›Der Zug ist für mich abgefahren.‹«
»Du hast aber nicht geschrieben, dass der Zug für dich abgefahren ist. Du hast geschrieben, der Zug für Ms Martin sei abgefahren.« Al war immer auf der Suche nach Sachfehlern, die er berichtigen konnte.
»Der Punkt ist doch, dass es eben eine Redewendung ist, die keinen Sinn mehr ergibt, wenn man ›einen‹ Zug schreibt.«
»Ich weiß nicht«, sagte er. Was wusste er nicht? Wie normale Menschen reden? »Ich denke, wir sollten da lieber korrekt sein.«
Ich legte auf. »Al killt meinen Vorspann«, murmelte ich böse vor mich hin.
Renée sah aus ihrem Büro zu mir herüber. »1969 war Archie Donovan der Schlussredakteur hier. Ich schrieb einen Artikel darüber, wie John Wayne einen Oscar gewonnen hat. Mein Einleitungssatz war: ›Besser spät als nie. John Wayne gewinnt als Der Marshal einen Oscar für seinen 139. Film.‹ Donovan konnte es immer gar nicht kurz genug sein, und darum hat er daraus gemacht: ›John Wayne selig: Endlich Oscar für seinen 139. Film.‹ So tötet man einen Vorspann.« Sie lachte kurz auf und ließ sich wieder auf ihren Stuhl krachen. »Ich rede mal mit Al.«
Ich war dankbar, damit hatte ich dann schon eine Sorge weniger. Auf meinem Bildschirm blinkte es. Ich hatte eine neue Nachricht, und zwar von Melinda.
Traumdate
I ch stand in einem Feinkostladen in der Innenstadt und versuchte, mich zwischen Rosen und Tulpen zu entscheiden, die ich Melinda später bei unserem Date schenken wollte. Rosen zu schenken war eine sehr eindeutige Geste, dafür war es vielleicht noch ein bisschen früh. Vielleicht überinterpretierte ich es aber auch, oder – noch wahrscheinlicher – ich übertrieb es ganz einfach. Es war das erste Date. Ich überlegte, ob ich beim ersten Date mit Jill zu aufdringlich gewesen war. Ich hatte ihr eine kleine Packung belgische Pralinen mitgebracht. Vielleicht hatte sie das abgeschreckt. Wenn ich sie doch nur fragen könnte. Es sollte Verabschiedungsgespräche für Beziehungen geben. Einfach eine kurze Zusammenfassung der Highlights und der Schwachstellen der Beziehung, vielleicht ein paar Fragen, so was wie: »Was genau war der ausschlaggebende Grund für die
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