Jeden Tag ein Happy End
Entscheidung, sich von Herrn Greene zu trennen?«
Ich entschied mich gegen die Blumen, kaufte aber eine Packung Mentholbonbons. Ich war nicht aufgeregt. Zumindest nicht so aufgeregt wie vor zwei Tagen, als ich Melindas E-Mail bekommen hatte. Ich hatte etwa zehn Minuten lang auf meinen Computerbildschirm gestarrt, bevor ich die Nachricht endlich öffnen konnte. Ein Teil von mir rechnete mit der Aufforderung zu einerUnterlassungserklärung. Stattdessen hatte sie meine Einladung mit Freude angenommen. Sie fühlte sich nicht nur nicht bedrängt, sondern sagte sogar, dass sie geschmeichelt sei von meiner gewagten E-Mail. Blieb nur das Problem, weiterhin so mutig zu wirken. Ich fragte Hope nach einem gewagten Restaurant.
»Was das Essen angeht oder die Inneneinrichtung?«, fragte sie zurück. Ich hatte wirklich keinerlei Ahnung von so etwas, wollte das aber unter keinen Umständen zugeben. »Wie sieht’s denn mit einem gewagten Ort aus?«, schlug sie vor.
»Im Ausland?«, fragte ich.
»Ich hatte eher an die Bronx gedacht.«
»Lass uns die Rahmenbedingungen noch mal neu formulieren«, antwortete ich. »Gewagt ja, aber ohne dabei ein größeres Gewässer überqueren zu müssen.«
»Wie wär’s denn im Wasser?«
Eins ist mal sicher – langweilig bin ich nicht! , dachte ich bei mir, während ich die schmale Leiter auf der Backbordseite der »Lightship« erklomm, eines achtzig Jahre alten Schiffs, das man vom Grund der Chesapeake Bay geborgen hatte und das jetzt am Kai des Hudson River lag.
Als mir Hope dieses Restaurant vorgeschlagen hatte, war in mir sofort die Vorstellung aufgestiegen, wie wir in Mimis und Mylos Fußstapfen treten würden. Eine Liebe, die in einem Yachthafen begann. Allerdings hatten sie Sommer in den Hamptons und nicht Winter am West Side Highway.
Eiskalter Wind wehte vom Hudson herüber, und die dunklen Wellen, die gegen die »Lightship« schlugen, wirkten bedrohlich auf mich. Zum Glück mochte Melinda Abenteuer, tröstete ich mich, nachdem ich endlich an Deck stand.
Eine Metalltreppe führte ins Innere. Im Maschinenraum, dessen Wände mit Muscheln besetzt waren, befand sich eine gemütliche Lounge. Es wurde R’n’B gespielt. Von Kerzen gesäumte Laufplanken führten durch den Schiffsrumpf und machten diesen Ort zu einer perfekten Mischung aus Yuppie-Bar und Seemannsgrab.
Melinda war nicht zu sehen, nur ein Haufen sehr modebewusster Zwanzig- und Dreißigjähriger, die alle ganz in Schwarz gekleidet waren. Ich trug meine Standarduniform, ein dunkelgraues Jackett und Jeans, hatte aber wenigstens mein Hemd in die Hose gesteckt.
Ich setzte mich auf einen Hocker an der Bar. Nach ein paar Minuten merkte ich, dass ich darauf wie ein nasser Sack hing, und stand schnell wieder auf. Ich sah auf die Uhr. Fünf nach neun. Morgen früh um acht hatte ich ein Interview, auf das ich mich noch nicht vorbereitet hatte. Einfach nicht darüber nachdenken.
Mein Handy vibrierte, und ich hatte sofort Angst, es wäre Melinda, die mir absagen wollte. Es waren aber nur meine Eltern. Sie hielten mich über den Gesundheitszustand meiner Großmutter auf dem Laufenden. Das war eigentlich nicht nötig, da ich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit selbst mit ihr telefonierte. Diese Tatsache berührte meine Eltern jedoch nur am Rande.
»Ich wollte dir bloß Bescheid sagen, dass sich am Zustand deiner Großmutter nichts geändert hat«, ließ mein Vater mich wissen.
»Von was für einem Zustand redet ihr eigentlich?«, fragte ich zurück. »Sie musste doch nur genäht werden.«
»Heute wurde sie zumindest nicht wieder genäht«, stellte meine Mutter klar.
»Sie wird auch nicht noch einmal genäht werden«, sagte ich.
»Ach, seit wann bist du denn Arzt?«, fragte mein Vater.
»Es wäre übrigens noch nicht zu spät, dein Medizinstudium fortzusetzen«, mischte sich meine Mutter ein. »Der Neffe meiner Zumba-Trainerin hat auch mit achtunddreißig noch einmal angefangen, und mit Ende seines Studiums hat er dann noch geheiratet.«
»Ich werde ganz bestimmt nicht Medizin studieren«, sagte ich mit Nachdruck.
»Hast du noch mal über eine Frau aus dem Katalog nachgedacht?«
Bevor ich darauf antworten konnte, sagte mein Vater: »Bernie ist nicht mehr auf der Intensivstation.«
Wie immer hatten sie das eigentlich Wichtige unter den Tisch fallen lassen.
»Das sind ja tolle Neuigkeiten«, sagte ich.
»Erzähl das mal deiner Großmutter.«
»Mach ich«, antwortete ich und fragte dann verwirrt: »Wieso, freut sie sich etwa
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