Jeden Tag, Jede Stunde
gefreut und sie mit Sehnsucht erwartet. Und er stellt sich vor, er wäre mit Dora verheiratet und sie hätte dieses Kind zur Welt gebracht und sie würde da in diesem Bett schlafen …
»Sie ist wunderschön, oder?«
Er erschrickt und macht einen Schritt zurück, als hätte er etwas Verbotenes getan.
»Ich bin so glücklich.« Klara spricht leise, und Luka kann sich nicht dazu zwingen, sie anzusehen. Ihm ist elend zumute. Schuldgefühle melden sich laut und deutlich, und Gewissensbisse sind auch nicht zu überhören.
»Wie geht es dir?« Sie fragt ihn. Als wäre er derjenige, der Stunden im Kreißsaal verbracht hat, um ihre Tochter zu gebären. Vor lauter Ungerechtigkeit des Lebens wird ihm schlecht.
»Wie geht es dir? War es schwer?« Er erkennt seine eigene Stimme nicht.
»Es ist vorbei, und es geht uns gut. Oder?«
Luka sieht sie an. Ihre Augen sind voller Fragen, die sie ihm aus Angst vor den Antworten nie stellen wird. Sie reicht ihm die Hand. Er zögert nur einen winzigen Augenblick, aber sie merkt es, und ihr Lächeln verschwindet. Ihr Blick wird ganz dunkel. Sie legt die Hand auf den Kopf ihres Babys.
»Du hättest gerne einen Sohn, nicht wahr?«
Und als ihm klar wird, dass sie nichts versteht und nichts ahnt, begreift er, dass es keinen Sinn hat. Er erzählt ihr also alles, er sagt ihr alles, beichtet, wo es nichts zu beichten gibt, bittet sie um Verzeihung, verspricht ihr vieles, noch einmal, er weint sogar ein wenig, er beschreibt ihr das Unbeschreibliche, seine Gefühle, seine Gedanken, er gesteht, dass er unbedingt wieder malen will, denn das ist er, er kann nicht in einem Hotel an der Rezeption arbeiten, er ist doch ein Künstler, seine Finger müssen mit Farben beschmiert sein, damit er sich so nennen darf, er redet pausenlos und leidenschaftlich, und bald ist jegliches Schuldgefühl vergessen, und er offenbart sich ihr hemmungslos, so wie er es noch nie gemacht hat, in all den Jahren ihrer Bekanntschaft und ihres Zusammenseins, und er ist erleichtert, er …
Luka sieht Klara stumm und abwesend an, er betrachtet das Kind im Bettchen kurz und mutlos. Sein Mund hat sich nicht bewegt. Kein Laut hat seinen Rachen verlassen. Er stöhnt innerlich. Voller Selbstverachtung.
»Ich muss gehen.«
Und weg ist er. Geflüchtet. Eher feige als prinzenartig.
24
»Ein Riese, der in einer Hand eine Pfeife hält und in der anderen ein großes Eis.«
»Du hast die Fantasie einer Fünfjährigen!« Luka lacht, und ein Zärtlichkeitsstrudel erfasst ihn.
»So was Blödes! Die Fantasie hat gar kein Alter!«
Und schon ist sie aufgestanden, und ihre Stimme zittert, und das Boot schaukelt, und sie muss aufpassen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren und nicht ins Meer zu fallen. Obwohl es nichts ausmachen würde, es ist Ende Juni. Aber es ist erst halb acht. Sie hat noch ihr Kleid an. Sie haben nicht einmal gefrühstückt.
Luka steht auch auf und betrachtet Dora einen Augenblick lang: Sie stemmt entschlossen ihre Fäuste in die Hüften. Angriffsbereit. Dann stürzt Luka sich auf sie, und sie fallen beide ins Meer. Mit einem Schrei. Von dem nur Fische und Möwen gestört werden. Weit und breit sind sie die einzigen Menschen zwischen Brač, Hvar und der Küste. Sie lachen und kreischen und schlucken salziges Wasser wie den besten Wein, Jahrgang unbekannt, das Etikett ist verloren gegangen. Sie toben und planschen und tauchen und enden in einer Umarmung, bei der ihre Lippen aneinander haften bleiben.
»Du hast mein schönes Kleid nass gemacht.«
»Dann zieh es aus.«
»Kann ich nicht, es klebt!«
»Ich helfe dir, komm.«
Und dann gibt es noch mehr Lärmen und Zappeln und Schreien und Untergehen und Wiederauftauchen, und das Meer wird ausgespuckt und das Salz aus den Augen gerieben.
Und dann liegen sie auf dem Deck und lieben sich in der Wärme der frühen Sonne.
»Da! Eine Wiege, auf der ein Teddybär sitzt.«
»Genau. Und siehst du auch die Zigarette zwischen seinen scharfen Krallen? Und die leere Flasche Bier neben ihm.«
Dora sieht ihn von der Seite misstrauisch an. Luka malt. Seit einigen Wochen malt er wieder. Und gestern hat Dora ihm die Farben geschenkt, die sie bei Christian in Paris bestellt hatte. Heute schon finden sie ihren Einsatz. Es ist ein wunderbarer Anblick.
»Wenn du in Ruhe gelassen werden willst und einfach malen möchtest, musst du es nur sagen, du musst mich nicht aufziehen.«
»Ich ziehe dich nie auf, nur aus.«
»Ihr Männer seid doch alle gleich.«
»Ich liebe
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