Jeden Tag, Jede Stunde
weiß es nicht. Ich liebe Luka. Und er liebt mich.«
»Aber er ist verheiratet. Und hat ein Kind.«
»Er hat aus falschen Gründen die falsche Frau geheiratet. Er liebt mich, ich bin sein Leben. Nichts anderes zählt.« Dora ist auch müde, und es behagt ihr eigentlich nicht, Dinge erklären zu müssen, die nur sie und Luka etwas angehen.
»Das ist sehr selbstsüchtig und verantwortungslos.«
»Willst du, dass er sein ganzes Leben neben einer Frau verbringt, die er nicht liebt, wohl wissend, dass es mich irgendwo auf der Welt gibt? Willst du das für deinen Bruder?« Dora spürt die Tränen kommen. Sie macht einen Schritt zur Seite und will gehen. Ana fasst Doras Arm, und Dora bleibt stehen.
»Ich will, dass er glücklich ist, aber trotzdem hat er Verpflichtungen. Man darf nicht nur an sich selbst denken.«
Dora sieht sie lange an, ohne etwas zu sagen. Es gibt nichts mehr zu sagen. Ana hat das Recht, zu denken, was sie will. Dora muss sie von nichts überzeugen, das ist nicht ihre Aufgabe.
»Ich will jetzt gehen.« Klein ist Doras Stimme.
»Zu Luka?«
»Ja.« Und Dora schüttelt Anas Hand ab und entfernt sich, langsam und zögernd. Als sie am Ende der Steintreppe angelangt ist, hört sie Ana sagen: »Ich hasse dich«, und die Worte treffen sie hart. Ihr ganzer Körper schmerzt wie bei einem nicht so gelungenen Sprung vom Zehnmeterbrett. Sie rennt die Treppe hoch und bleibt atemlos vor dem Glaseingang des Hotels stehen. An der Rezeption kann sie Luka stehen und sich mit dem Barkeeper Jozo unterhalten sehen, der offensichtlich auf dem Weg nach Hause ist. Sie lachen laut und Jozo schlägt sich mit der Hand aufs Hosenbein. Lukas Augen leuchten grün wie, wie … Ach, Dora hat keine Ahnung, wie was, kein Vergleich wäre zutreffend, aber sie gehören ihr, diese Augen. Und nur das zählt.
Sie tritt ein. Luka bemerkt sie und hört auf zu lachen. Er breitet seine Arme aus. Dora ist zu Hause angekommen.
26
Luka steht vor dem offenen Kühlschrank und versucht, seinen Körper abzukühlen und sich ein wenig frische, atembare Luft zu verschaffen. Dabei ist es nicht einmal sechs Uhr morgens! Das wird ein extrem heißer Tag werden.
Im Haus ist noch alles still, obwohl er nicht glaubt, dass irgendeiner schläft, nicht bei dieser Hitze. Er nimmt Milch aus dem Kühlschrank und macht ihn zu. Er will sich an den Tisch setzen, als er Klara an der Küchentür erblickt. Sie steht nur da und sieht ihn an, wer weiß, wie lange schon. Luka versucht zu lächeln, aber es fühlt sich nicht richtig an, irgendwie verzogen. Er sagt »Guten Morgen«, aber Klara sieht ihn nur weiterhin an. Luka entscheidet sich gegen den Tisch, plötzlich hat er es sehr eilig und trinkt Milch aus dem Karton. Stehend. Es tut ihm gut. Kühlt ihn von innen. Und schon macht er den ersten Schritt zur Tür.
»Setz dich, Luka.«
Klaras Stimme ist völlig wach, als hätte sie gar nicht geschlafen. Luka kann es nicht wissen. Er schläft schon seit Monaten, seit Klara mit dem Kind nach Hause gekommen ist, auf der Wohnzimmercouch.
»Ich muss gleich los, um sechs muss ich im Hotel sein.«
»Setz dich, es ist wichtig.«
Und Luka spürt auf einmal wieder die unerträgliche Hitze und er schwitzt und weiß, er wird das Hemd wechseln müssen.
»Muss es unbedingt jetzt sein?«
»Als hättest du später oder irgendwann Zeit!«
Luka antwortet nicht. Sie hat recht. Er würde nie Zeit haben. So wie in den letzten Monaten: immer auf der Flucht. Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, damit aufzuhören und alles ins Reine zu bringen.
»Gut, hier.« Er setzt sich an den Küchentisch. »Jetzt bin ich da.«
Klara kommt näher und nimmt ihm gegenüber Platz. So nah hat Luka ihr Gesicht schon lange nicht gesehen. Sie ist müde und erschöpft und unglücklich, und es gibt wenig Leben in ihren Augen. Der Anblick schmerzt ihn. Er kann ihn nicht lange ertragen.
»Was geht da vor?« Klaras Stimme zittert ein wenig.
»Wie meinst du das?« Luka weiß, wie blöd und verletzend diese Frage ist, beleidigend sogar, aber er muss zuerst Mut sammeln.
»Die Leute reden, Luka. In dieser Stadt kann man nichts lange geheim halten.«
»Ich weiß.« Er atmet tief ein und sehr laut aus. Klara fängt an, geräuschlos zu weinen, und für Luka ist das ein Signal. Jetzt oder nie. »Ich liebe sie, sie bedeutet mir alles. Ich kenne sie mein Leben lang. Sechzehn Jahre waren wir getrennt, und dann sind wir uns zufällig in Paris wieder begegnet, und das ist es. Ich liebe sie.« Und plötzlich
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