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Jeden Tag, Jede Stunde

Jeden Tag, Jede Stunde

Titel: Jeden Tag, Jede Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natasa Dragnic
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was glücklicherweise sehr oft vorkommt, weil es eben so winzig und bescheiden und unrepräsentiv ist. Unzählige Nächte haben sie hier verbracht. Das Meer genossen. Mit ihm geschwiegen. Umgeben von Pinienbäumen, die den rettenden Schatten schenken. Zu viel Licht. Wenn man Geheimnisse hat. Wenn man ungestört sein möchte. Wenn jeder andere Mensch einer zu viel ist. Wenn man in der Dämmerung besser zurechtkommt. Wenn man vom Bett aus jede Zimmerecke berühren kann.
    »Dora«, flüstert er ihr ins Ohr. In diesem zwerghaften Hotelzimmer. Das wie eine ganze Welt ist. Wie ein ganzes Leben. Grenzenlos. Endlos. Unendlich. Wie die Tiefe der Ozeane. Unerforscht. Geheimnisvoll. Beängstigend. Unwiderstehlich. Faszinierend. Wie die Zahl der Sterne. Zahllos. Unbekannt. Unheimlich. Unzerstörbar. Unsterblich.
    »Luka!« Dora dreht sich auf den Rücken und zieht ihn auf sich. Ein Kuss für das Tagebuch.
    »Ich habe auf dich gewartet, lass uns duschen gehen.«
    »Wieso denn so eilig …«
    Und schon lieben sie sich, und die Welt scheint in Ordnung zu sein. Ahnungslos ist diese Welt und sie in ihr!
    »Dora …«
    »Ja?«
    »Ich liebe dich …« … nur dich immer dich mein ganzes leben lang du bist meine luft mein herzschlag du bist in mir unendlich das meer das ich sehe bist du die fische die ich fange hast du in mein netz gelockt du bist mein tag und meine nacht und der asphalt unter meinen schuhen und die krawatte um meinen hals und die haut an meinem körper und die knochen unter meiner haut und mein boot und mein frühstück und mein wein und meine freunde und der morgenkaffee und meine bilder und meine bilder und meine frau in meinem herzen und meine frau meine frau meine frau …
    Ahnungslos ist die Welt!
     
    »Wie soll es jetzt weitergehen?«
    Luka schweigt. Er will nicht sagen, dass er das nicht wisse. Das weiß sie schon.
    »So wie bisher kann es nicht weitergehen.«
    »Ich liebe dich.«
    »Ist das genug?«
    Luka schweigt. Er will nicht sagen, dass er das nicht wisse. Das weiß sie ohnehin.
    »Warum kannst du dich nicht von ihr trennen?«
    Luka lässt den Kopf hängen. Er fühlt sich elend. Dora sieht, wie müde er ist, zerrissen, erschöpft vom Kampf zwischen Wollen und Können. Wie ihn dieses Doppelleben auslaugt und beschämt, an seinen Kräften zehrt.
    »Und sag mir nicht, es sei wegen Katja. Kein Mensch kann dir verbieten, dich um deine Tochter zu kümmern, sie zu sehen. Alles nur heiße Luft.« Dora spürt, wie sie sich wieder aufregt und wie dieses Gespräch sie erneut erniedrigt. Denn sie hat so etwas nicht nötig. Es müsste klar sein. Alles sollte klar sein. Einfach, würde Zoran sagen.
    »Wenn du vielleicht dabei sein könntest …«
    Das wiederum macht sie wütend. Denn sie hat es verstanden. Er hat nicht den Mut, es durchzuziehen. Und dass er sie liebt, bedeutet nichts. Es ist nicht genug.
    »Ich kann nicht mehr so. Ich werde weggehen.«
    Und schon ist er dicht bei ihr und beteuert, dass er das nie zulassen würde, sie sei sein Leben, ohne sie sei er tot. Und Dora hat nicht die Kraft, sich zu wehren, sie weiß, sie wird sterben, sollte sie nie mehr von ihm berührt werden. Seine Augen nie mehr sehen. Jeden Tag. Den ganzen Tag. Von ihm nicht geliebt zu werden. Das wird sie nicht ertragen. Es ist alles einfach und eindeutig, und sie hat keine große Wahl. Sie lässt sich umarmen und trösten und überzeugen und sie bleibt. Und sie lieben sich. Und dann gehen sie durch die Stadt spazieren. Unverhohlen, Hände haltend. Aber Dora weiß, das ist kein Sieg. Sein Zuhause ist nicht das ihre. Irgendwann am Tag müssen sich ihre Wege trennen, und sei es auch nur, weil er ein frisches Hemd anziehen oder sich rasieren muss. Es ist Lukas Frau, die seine Hemden bügelt. Dora wird übel. Wie viel verlogener kann die Welt noch werden! Eine Schande ist das. Sie werden eines Tages alle zu Salzsäulen erstarren.
    Dora und Luka wissen beide, dass das nicht das letzte Gespräch dieser Art gewesen ist. Also sind sie ständig auf der Hut. Sie beobachten sich heimlich. Sie drohen auseinanderzufallen.
    Es sollte aber doch so einfach sein.
     
    Luka wacht ruckartig auf. Er weiß nicht sofort, wo er ist. Er hat geträumt. Nichts Angenehmes. Und er ist völlig durchgeschwitzt. Es müssen vierzig Grad im Zimmer sein. Er spürt eine sanfte, zögernde Berührung am Rücken. Dora. Er öffnet die Augen. Vor ihm ein niedriger Tisch. In der Ecke ein Fernseher. Daneben ein Fenster mit zugezogenen Vorhängen. Es ist dunkel. Links von seinem

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