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Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Titel: Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konstantin Wecker
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Toskanablick,
    da springt Sie die Freiheit an.
    (In Taufkirchen wirklich nicht möglich.)
     
    Chevrolet Blazer. Rücksitzfick.
    Ein Berggasthof irgendwann.
    (Auch alte Mühlen sind löblich.)
     
    Oder: Schuld sind die Preise.
    Gedüngt wird mit eigener Scheiße.
    (Im Bayrischen Wald, kollektiv.)
     
    Sie rennen davon und verschwinden
    und die Freiheit kann Sie nicht finden.
    (Die ist nicht alternativ.)
    Wer soll mich schon halten
     
    Hab mich wieder mal aufgefangen
    ohne Sprungtuch und Wort zum Sonntag.
    Wer soll mich schon halten,
    wenn nicht ich?
     
    Dich fangen schöne, starke Arme,
    sag ich mir oft.
    Lass sie dir nicht zerbrechen.
    Liebesflug
     
    Ich will nicht bis zum Frühjahr warten,
    will jetzt schon meine Reise machen
    und hätt dich gern dabei.
     
    Das sind die wirklich großen Fahrten,
    die einfach, ohne aufzuwachen,
    den Herbst verbinden mit dem Mai.
     
    Nur raus, nur fort, nur kein Verschieben!
    Der Winter wird jetzt aufgerieben!
    Was für ein Flug.
     
    Von allen meinen großen Lieben
    ist mir nur eine treu geblieben:
    der Selbstbetrug.
     
    Die Fenster offen. Um zu fliegen,
    braucht’s einen schönen Rausch
    und Hexerei.
     
    Wer, bitte, soll mich jetzt noch kriegen?
    Ich reit auf einem Wattebausch
    die Zeit entzwei.
     
    Schon wirft die Erde erste Falten.
    Da steigt ein Abgrund hoch zum All.
    Bin ich jetzt frei?
     
    Doch, doch! Das Tempo will ich halten.
    Hab auch noch beide Lungen prall.
    Bist du dabei?
     
    Jetzt seh ich Deutschland untergehen.
    Werd einfach meinen Rücken drehen.
    Blick oben hin.
     
    Ob Dichter bei den Engeln stehen?
    Und kann ich von da oben sehen,
    ob ich noch bin?
     
    Ach, Liebe, mach dich nicht so schwer.
    Sei leicht, sei leis, fass stiller an,
    wo alles ruht.
     
    Wo hast du nur die Kräfte her?
    Wenn Liebe Sterne wecken kann,
    verschon mich, Glut.
     
    Und Liebe sitzt mir auf dem Rücken,
    und Liebe sitzt mir im Genick,
    ich trage schwer.
     
    So kann das Fliegen niemals glücken.
    Du lieber Mund, du lieber Blick,
    du drückst mich sehr.
     
    Verdammt. Noch nicht mal Herbst.
    Ich falle! Das wird ein Warten auf den Mai!
    Hab’s fast gewusst.
     
    Denn diese liebevolle Kralle
    reißt mittendurch den Leib entzwei
    und Stirn und Brust.
    Und ging davon
     
    Und ging davon. Und ohne große Sprüche.
    Und nimmt noch Hemd und Hose aus dem Schrank,
    um rein zu sterben. Zettel in die Küche:
    Ich glaub, es reicht. Macht’s gut und vielen Dank.
     
    So viele Jahre Menschsein können nerven.
    Man kann das einfach regeln oder larmoyant.
    Er hörte auf, ein Weltbild zu entwerfen,
    verzichtete aufs Schluchzen und verschwand.
     
    Und in den Wohnblockzellen stricken sie Pullover
    und richten sich schon jetzt auf Winter ein.
    Die Hungrigen beschweren sich beim Ober.
    Die meisten graben sich in ihren Ängsten ein.
     
    Die Starken kämpfen noch um ein paar Rechte.
    Die Hoffnungsvollen spenden Trost und Brot   –
    und er besinnt sich auf das einzig Echte:
    Geht in die Knie, empfiehlt sich und ist tot.
    Lieber Gott
     
    Lieber Gott
    vor ein paar Stunden
    hab ich dich einfach so angeredet.
    Ich war pinkeln,
    stockbesoffen und den Kopf an die Kacheln
    des Pissoirs gelehnt,
    kaum mehr in der Lage,
    meine Männlichkeit in den Griff zu kriegen,
    und da überkam mich plötzlich das Gefühl
    der Ewigkeit.
    Du wirst dich in diesen Fällen
    nicht so auskennen,
    aber du musst mir das einfach glauben,
    diese Stellung hilft einem eben,
    etwas von der Ewigkeit kennenzulernen.
    Plötzlich hat man sein Gleichgewicht gefunden.
    Hände am Hosenlatz,
    ein Bein leicht angewinkelt,
    und man ist so froh, nicht mehr umzufallen,
    dass man das nie mehr aufgeben will.
     
    Jedenfalls kam mir da plötzlich dieses
    »Lieber Gott«
    über die Lippen
    und ich wunderte mich,
    dass ich dich auf einmal
    so liebevoll angeredet habe.
    Wir beide sind uns im Laufe der Jahre
    über manches klarer geworden.
    Du willst mir nichts mehr vorschreiben
    und ich will dir nichts mehr vormachen.
    »Liebe Gott und tue, was du willst«,
    diesen Augustinus hat man mir früher immer
    verschwiegen.
    Dafür haben sie uns ab und zu
    kleine Hauchbilder in die Hand gedrückt
    mit schönen Engelmännern drauf,
    die gebrechliche Damen
    über Brücken geleiten.
    Aber wenn ich mir das mal ohne Hass
    durch den Kopf gehen lasse   –
    so dumm kannst du gar nicht sein,
    wie dich die Jahrhunderte dargestellt haben.
    Von deinem Standort aus
    überblickst du alles ja so viel besser   –
    wie sich Gesetze ändern,
    wie unmenschlich menschliche

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