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Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Titel: Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konstantin Wecker
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träge Wölkchen verpflanzt,
    und denen was vorsabbern.
     
    Aber sie steigen aus,
    zweibeinig wie richtige Menschen,
    schütteln Hände,
    klopfen auf Schultern,
    grabschen nach Ärschen
    und ihre grünen Krawatten flattern im Wind,
    und dann mischen sie sich ins Leben
    und mischen mit.
     
    Und nachts, wenn die Versicherungsvertreter
    von Bonus und Burgunder träumen,
    leiden sich immer ein paar dieser anderen durch die Parks,
    werden von Bahnhöfen gejagt,
    stinken aus dem Mund
    und knabbern am Leben.
     
    Unversichert, ängstlich und scheu.
     
    Immer in diesen Flugzeugen
    Boeing, DC10 oder Airbus oder auch in einer
    dieser wackligen, kleinen Maschinen
    beschließe ich,
    wieder mal kräftig aus dem Mund zu
    stinken.

Ich möchte weiterhin verwundbar sein
1980   –   1984
     
     

Der Baum singt
     
    Ich bin ein Baum.
    Ich bin auf einem Hügel geboren.
    Mich schützen keine Wälder.
    Ich steh allein.
     
    Männer mit Beilen bestimmen die Gegend.
    Doch wir Bäume sind nie verloren.
    Unter der Erde
    unsere Wurzeln berühren sich leis.
     
    Ich bin ein Baum.
    Wende mich lieber zur Sonne hin.
    Liebende lehnen sich an mich an,
    wenn sie hilflos sind.
     
    Ich wechsle die Farbe, den Namen, die Form,
    aber nie den Sinn.
    Und hab eine kräftige Stimme gegen den Wind.
    Man muss den Flüssen trauen
     
    I
     
    In manchen Sommern, sehr von Reinheit überflutet,
    vielleicht noch eine Nachricht: Ihr geht’s gut
    und sie hat Sehnsucht, und sie hat geblutet
    und du ertrinkst in dieser weichen Flut
     
    von Glücken. Luft und Sinne stimmen.
    Jedoch so ganz von unten her
    beginnt das alles etwas zu gerinnen
    und wird auf einmal schwer und ungefähr.
     
    Du raffst dich auf. Noch klebt das an den Beinen.
    Noch tanzen dir Sirenen um die Stirn.
    Doch plötzlich packt es dich: Du musst verneinen.
    Und dich, bevor du aufgibst, neu verwirrn.
     
    II
     
    Man muss den Flüssen trauen. Sie verschwenden
    sich jeden Zentimeter neu. Und Zeit
    und Dummheit kann das Fließen nie beenden.
    Und auch die Wolken sind zu neuem Flug bereit
     
    und sterben nie. Ich will nach oben,
    wo mich das Unfassbare härter streift.
    Es ist ganz klug, die Götter erst zu loben,
    bevor man sie sich endlich greift.
    Liebes Leben
     
    Liebes Leben, fang mich ein,
    halt mich an die Erde.
    Kann doch, was ich bin, nur sein,
    wenn ich es auch werde.
     
    Gib mir Tränen, gib mir Mut
    und von allem mehr.
    Mach mich böse oder gut,
    nur nie ungefähr.
     
    Liebes Leben, abgemacht?
    Darfst mir nicht verfliegen.
    Hab noch so viel Mitternacht
    sprachlos vor mir liegen.
    Und dann
     
    Wo ich im Wort nicht weiterkann:
    gedrängte Stunden. Nächtelang
    nur Innenwelt. Und dann?
     
    Oft, unter einem Baum zu sitzen
    ist mehr Bestimmung als der Drang,
    sich Formen aus der Brust zu schnitzen.
     
    Da werden Skizzen manchmal Bilder,
    die übersetzen in die Zeit
    und stimmen milder.
     
    Uraltes fällt mir wieder ein
    und aufgehoben in der Ewigkeit,
    lass ich mich sein.
     
    (1980)
    Über die Dichter
     
    Ich halt mich lieber weiter an die Dichter,
    weiß von ihrem Vertrag mit den Göttern
    und stell mich ungeduldig
    hinten an.
     
    Sie sind nun mal ganz gut angesehen da oben,
    haben Kredit,
    führen andere Gespräche,
    stürzen tiefer.
     
    Manchmal glaub ich,
    die spazieren da draußen in Wäldern rum und werfen
    sich die Worte zu.
     
    Immer wieder leg ich dann meinen
    Verstand in den Schoß,
    es wird sehr still in mir
    und atemlos.
     
    Irgendwann
    werden sie mir schon auch ein paar
    rüberschicken.
    Worte
     
    Manche Worte, jahrelang
    vage Hieroglyphen,
    tragen einem plötzlich an,
    sich zu überprüfen.
     
    Werden sichtbar in Gedichten,
    die sonst nie berührten,
    oder springen aus Geschichten
    einer Illustrierten.
     
    Viele wollen diesen Fund
    nicht mal registrieren.
    Schimpfen plötzlich ihren Hund,
    kriegen’s an den Nieren.
     
    Doch das legt sich. Mit der Zeit
    wird man gerne tauber,
    dient der Unzulänglichkeit
    und bleibt fortan sauber.
     
    Und die Worte streichen aus,
    was in ihnen ruhte.
    Steigen über uns hinaus,
    heim ins Absolute.
    Manchen gelingt es
     
    Manchen gelingt es,
    sich so zu entfalten,
    dass sie sich immer
    die Unschuld erhalten.
     
    Die warten im Schatten,
    um besser zu sehen,
    können ohne Applaus
    der Angst widerstehen.
     
    Die schreiben nie Lieder.
    Die sind Melodie.
    So aufrecht zu gehen
    lerne ich nie.
    Brich auf, Geliebte
     
    Brich auf, Geliebte,
    nimm mich mit.
    Heut Nacht
     
    hat sich auf einmal
    unsre Liebe
    aufgemacht.
     
    Die

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