Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
Schiffe vollgetankt.
Kein Hafen lockt
mit Seelenruh,
brich auf
und schließe, Sturm,
uns nie die Augen zu.
Brich auf, Geliebte.
Endlich öffnet sich –
Nimm weiter dich
und liebe mich.
Beim Aufwachen zu sprechen
Jetzt wär’s so weit. Jetzt die Haare föhnen
und dann irgendwas verkaufen. Oder Plakate
an Mauern kleben. Irgendwo freundlich
»Guten Morgen« sagen. Jemandem zulächeln.
An Dienstagabend denken. Wo sie lieber
mit dem Taxi nach Hause fuhr. Wo sie weinte.
Wo sie sehr schön war.
Doch, jetzt wär’s so weit. Jetzt ging das Leben weiter.
Jetzt müsste man einen Eimer Wasser aus dem Brunnen
ziehen und mit dem Pfarrer plaudern. Ein sonniges
Plätzchen suchen vorm Haus. An Montagabend denken.
Wie sie sehr ausgelassen war.
Und es ist gar nicht eintönig, dass der Winter immer wieder
über die Stadt herfällt. Man kann sich einen roten Skianzug
schenken lassen. Den Hunden die Pfoten reinigen.
Man kann geduldig auf den Sommer warten.
Einen Amateurfunker heiraten.
Jedenfalls wär’s jetzt so weit. Manche schreiben ein Buch
über den Freitod und nehmen sich dann wirklich das
Leben. Manche sperren sich dreißig Tage in einen
Schlangenkäfig. Einige mieten eine Zweitwohnung, um mal
richtig ausschlafen zu können. Andere vergessen immer
wieder den Campingkocher. Tränen und Streit am
Gardasee.
Nur, so weit darf’s einfach nie kommen. Ich will jetzt lieber
erst mal Erich Fromm besuchen. Sogar in der Schweiz.
Oder das Oktoberfest vorverlegen, weil
nun mal dummerweise grad Mai ist.
Nur keine Kriegsberichte im Moment.
Keine Statements.
Zuhören und fliegen.
Wenn’s ein starker Tag wird:
Kraft saugen.
Es gibt noch so viele Lieder zu singen
jenseits der Sprache.
Ich werde zum See runtergehen
und den Sommer herbeidichten.
Es wird sich was ereignen mit mir.
Warum sie geht
Und das Häuschen steht ganz malerisch am Waldrand,
und den Garten schmückt ein Blumenbeet,
da ist ein Hund und eine Schaukel,
da blüht der Flieder (wenn es Mai ist),
und er versteht es einfach nicht,
warum sie geht.
Er hat doch immerhin die ganze Zeit geschuftet,
und ihretwegen hält er jetzt sogar Diät,
und plötzlich packt sie ihre Koffer,
und unten wartet wer im Auto,
und er versteht es einfach nicht,
warum sie geht.
Na gut, er hat schon mal den Hochzeitstag vergessen
und ihr auch ab und zu mal eine eingeschenkt,
doch immerhin: Sie hat von seinem Tisch gegessen!
Und irgendwie hat sich das immer wieder eingerenkt.
Doch im Auto sind die Koffer schon gestapelt,
und auf einmal wird das alles so konkret.
Auch der Flieder denkt ans Blühen,
und wie flüchtig so ein Mai ist,
und nur dem Hund ist’s scheißegal,
warum sie geht.
Und sie lächelt so ein unbekanntes Lächeln,
eins, das endlich mal für sich alleine steht,
das ihn lähmt und das ihm wehtut,
das ihn abhält, sie zu halten –
und er versteht auch jetzt noch nicht,
worum’s ihr geht.
Und das Häuschen steht ganz malerisch am Waldrand,
und den Garten schmückt ein Blumenbeet,
da ist ein Hund und eine Schaukel,
da blüht der Flieder (wenn es Mai ist),
und der versteht es ganz genau,
warum sie geht.
An den Freund
Kann ich vereinzelt eine neue Regung,
ein Ungewohntes deines Wollens nicht verstehen,
dann bleibt mir nur, diese Bewegung
in mir zu suchen und mit dir zu gehen.
Denn was ich von dir weiß, ist niemals mehr,
als ich von meinem Wesen will und kenne,
und alles, was ich an dir ungefähr
oder gar falsch und unbewiesen nenne,
ist nur ein Dunkelsein in mir. Ich spüre,
wie sich dein Bild mit mir beständig formt,
nur in dem Maß, wie ich mich jeweils sehe.
Ob ich dich finde, ob ich dich verliere –
du bleibst mir nur nach dieser Form genormt:
die ich bestimme und mit der ich überstehe.
Und doch lässt etwas Kirschen blühen im April
Da hilft kein gelber Schal, kein Clubprogramm,
um sich den Federbetten zu entziehen.
Erst schaffst du dir mal eine Wahrheit an
und dann beginnst du lebenslang zu fliehen.
Investmentfonds und Palmenbuchten,
Parteibuch, Irokesenschnitt –
du ebnest dir mit Formeln Schluchten
und teilst dich wiederkäuend mit.
Nur frisch geblökt! Aus welken Eutern
zapfst du dir Illusionen ab.
In Mühlheim sind zwar zwei am Meutern
und manchen wird der Atem knapp,
doch erst mal selber ohne Falten.
Dann vielleicht Vorstand bei der Caritas.
Die Weltgeschichte hockt im
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