Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
gibt,
wenn er sich selbst nur etwas mag.
Und dann rinnt dir, weil du zitterst,
ein Glas Wein übers Gesicht,
fällst vom Stuhl und blickst nach oben
und entdeckst ein Stückchen Licht.
Dir verschwimmen Hirn und Sinne,
schwankst aufs Klo, schließt nicht mal zu,
überlässt dich deinem Dasein
und bist endlich wieder du.
Nur die sich misstraun,
brauchen Normen zum Sein
und verteilen als Schuld,
was sie sich nicht verzeihn.
Doch wie immer sie dich
auch schuldig schrein,
nur du hast das Recht,
dein Richter zu sein.
Manchmal weine ich sehr
Ich will nicht klagen. Das Essen ist reichlich.
Jeden Freitag gibt’s Analyse.
Morgen haben wir das große Mühleturnier.
Und von Werner herzliche Grüße.
Die Ärzte sind scherzhaft, die Pfleger gepflegt,
und sie lächeln unaufhörlich.
Die Pillen sind bunt und täglich
und schmecken wirklich kein bisschen gefährlich.
Manchmal weine ich sehr. Das behalt ich für mich.
Auch dass ich mich sehne nach dir.
Vom Bett aus sehe ich den Park und dich
und die Sonne bis Viertel nach vier.
Es schneit bereits. Doch jetzt im August
ist dir sicher zu heiß, um zu schreiben.
Vielleicht nächstes Frühjahr. Ach würd mich das freuen.
Ich werd noch ein Weilchen hierbleiben.
Die junge Frau Doktor ist jetzt auch nicht mehr da,
und grad die hat noch keinen verletzt.
Die hat auch nicht immer gleich
alles
gewusst,
deshalb hat man sie wohl versetzt.
Doch das Wichtigste ist: dass Werner und ich
kaum mehr in Behandlung waren.
Wir sind bald gesund. Auch wenn Werner meint,
die wollen jetzt Strom an uns sparen.
Manchmal weine ich sehr. Das behalt ich für mich.
Auch dass ich mich sehne nach dir.
Vom Bett aus sehe ich den Park und dich
und die Sonne bis Viertel nach vier.
Es schneit bereits. Doch jetzt im August
ist dir sicher zu heiß, um zu schreiben.
Vielleicht nächstes Frühjahr. Ach würd mich das freuen.
Ich werd noch ein Weilchen hierbleiben.
Da ist der Krebs
Da ist der Krebs. Und da sind diese Tränen.
Und da er selbst. Auf einmal mittendrin.
Und er beginnt sich grenzenlos zu schämen
und macht sich auf die Suche nach dem Sinn.
Die Professoren sprechen von Symptomen.
Die meisten fühlen sich ganz einfach nur gestört.
Die liebe Mutter wollte er verschonen.
Und gute Freunde zeigen sich empört,
dass er sich nicht ins Dunkel schleichen wollte.
Und gönnen ihm selbst jetzt den Glauben nicht.
Denn erstens sind sie kerngesund und voll Revolte
und zweitens trauen sie noch keinem Licht.
Und eines Tags verlässt er Arzt und Bett,
um nicht die letzte Achtung zu verlieren.
Sucht sich ein Leben ohne Etikett
und ist bereit, sich selbst zu respektieren.
Die Professoren tragen spitze Hüte
und singen fistelnd im Philisterchor.
Ach, kämen doch das Wissen und die Güte
ein bisschen häufiger gemeinsam vor!
Und wir verdauen alle klugen Sprüche,
wenn sie fundiert und von Doktorn gesiebt.
Doch er entscheidet sich für Blicke und Gerüche
und einen Himmel, der ihn liebt.
Liedlein
Was macht der Herr Richter, wenn er Feierabend hat?
Hat er dann das Gerechtsein erstmal satt,
wird er dann eventuell mal banal
und sucht den richtigen Fernsehkanal?
Berichtet er seiner Frau, dass er statt zu richten
nur seinen Kragen gerichtet hat?
Oder hat er was, was er niemanden nennt,
und freut sich tierisch aufs Wochenend?
Denn am Sonntag, am Spielplatz, um dreiviertel zehn,
da lässt der Herr Richter sein Schwänzlein sehn.
Er braucht halt nun mal das Klein-Mädchen-Geschrei
als Ausgleich für seine Rechthaberei.
Ich glaube, das nimmt einen ganz schön mit,
wenn man täglich Sitte und Anstand vertritt.
Und hat nicht Angst vorm Jüngsten Gericht,
wer im Namen des Herrn dauernd Urteile spricht?
Ja, da kann’s schon mal sein,
dass einem ganz schön schlecht ist,
wenn man tagsüber hauptberuflich im Recht ist.
Aber wenn’s in der Seele so richtig brennt,
dann denkt der Herr Richter ans Wochenend:
Denn am Sonntag, am Spielplatz, um dreiviertel zehn,
da läßt der Richter sein hm … hm … sehn.
Ach hätt er das alles nur früher getrieben,
dann wär uns ein Richter erspart gelieben.
Uns ist kein Einzelnes bestimmt
Neun Elegien
Geschrieben in der Nacht vom 27. zum
28. Dezember 1980 in Lupinari – Toskana
»
Und wir: Zuschauer, immer, überall,
dem allen zugewandt und nie hinaus!
Uns überfüllts. Wir ordnens. Es
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