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Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Titel: Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konstantin Wecker
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nahtlos,
    doch gelangweilt aufzugeben,
    will ich lieber unvollendet,
    doch dafür unendlich leben.
     
    Und auch jetzt schon, voll von Wein,
    bin ich hin und her gerissen,
    schreib ich, weil ich’s besser weiß
    oder wider bessres Wissen.
     
    So bleibt vieles ungeschrieben,
    doch das ist’s ja, was ich meine,
    denn ich teile mich, ihr Lieben,
    und bleib immerfort der eine.

Jetzt eine Insel finden
1985   –   1989
     
     

 
    Surfen und Schifahren,
    Schifahren und Surfen.
    Im Winter Surfen,
    im Sommer Schifahren.
    Frühjahr und Herbst:
    Schisurfen,
    später dann
    Schurfen und Sifahren
    Sifahren und Schurfen.
    Im Winter Schurfen,
    im Sommer Sifahren.
    Im Herbst Schischurfen.
    Abends hat man sich viel zu sagen:
    Schurfen Schie auch, Fräulein?
    Nein, ich schare nur Schi.
    Schade.
     
     
    Als wir beim Falkner waren
    stand mein Vater neben mir
    vielleicht dichter als jemals zuvor.
     
    Wäre er nicht mein Vater,
    hätte ich mich geärgert über jemanden,
    der noch so unbefangen staunen kann.
    Mein Neid hätte sich
    was zurechtgelegt gegen ihn.
     
    Alles erfüllte meinen Vater mit Freude
    und für nichts war er zu weise.
     
    Während ich einen Gaukleradler streichelte,
    stand mein Vater etwas verloren
    zwischen all diesen Vögeln
    mit den großen Krallen und den kantigen Schnäbeln
    und ich hatte ihn unsagbar lieb.
     
    Nie zusammen im Puff gewesen,
    keine einzige Sauftour miteinander,
    achtunddreißig Jahre nur im Geist verbunden,
    aber jetzt,
    als wir beim Falkner waren,
    schlossen sich unsere Herzen,
    als wäre eine Irrfahrt
    zu Ende.
     
     
    Immer wenn ich,
    berauscht vom Heldentum,
    nach einem Actionfilm
    die Straße breitbeinig in Beschlag nehme,
    beschließe ich,
    mich tags darauf
    in einem Karatekurs einzuschreiben.
    Es ist vielleicht eine etwas derbe,
    aber
    es ist auch eine Art von Poesie,
    dem anderen leidenschaftslos und ausdrucksstark
    die Fußkante unters Kinn zu pfeffern.
    (Man wünscht sich manchmal,
    mit dieser Art Gedicht
    einigen Kritikern zu antworten.)
    Jetzt werden Sie sich sagen,
    na, bei dem ist ja selbst das Scheißen poetisch.
    Ja, natürlich, kann durchaus sein.
    Sie müssen das so sehen:
    Poesie ist nicht eine Sache der Bilderfluten,
    sondern zuallererst ein rhythmisches Phänomen,
    keine Angelegenheit von links oder rechts,
    altväterlich oder avantgardistisch,
    sie hat eher etwas mit Atmen zu tun,
    Legato und Stakkato,
    Story oder Reim sind austauschbar,
    aber das Luftholen im richtigen Moment
    ist unwiederholbar
    und verdichtet einen Augenblick
    zur Ewigkeit.
    Jetzt eine Insel finden
     
    Jetzt eine Insel finden und in seentiefem Blau,
    von Opiaten überwölkt nach innen sinken.
    Nur nichts von außen. An der eignen Wesensschau
    den Lebensrest verzaubernd sich betrinken.
     
    Und doch: Selbst mit verschlossnen Ohren
    kann ich den anderen Wirklichkeiten nicht entfliehn.
    Denn leider kann sich keiner ungeschoren
    auf Dauer in die eigne Welt verziehn.
     
    Mach ruhig die Augen zu: Du kannst das Blut nicht übersehen.
    Schlag dir die Nase ab: Es stinkt nach Untergang.
    Und einmal werden die Geschundnen vor dir stehen
    und werden fragen: Was hast
du
getan?
     
    Ich scheuchte gern diese Gedanken von mir weg
    und würd sie lieber gar nicht schreiben oder singen.
    Ich stellte oft die Freude schützend vor den Dreck,
    mit dem sich Menschen immer in die Knie zwingen.
     
    Doch manchmal seh ich sie vor mir mit leeren Augen,
    zerschundnen Händen, aufgeblähtem Bauch,
    ich möchte schlafen und dem bösen Traum nicht glauben
    und seh mich plötzlich zwischen alldem auch.
     
    Seh mich gejagt als Nigger in dem Schmutz
    einer zurückgebliebnen weißen Fettwanstwelt,
    seh mich als Jäger, der sich in dem Schutz
    einer entmenschlichten Moral gefällt.
     
    Und spüre Schmerz, der nie der meine war.
    Und heul mit einem Waisenkind.
    Und bringe in der Wüste Opfer dar,
    auf dass der Regen komme mit dem Wind.
     
    Dass so viel Blut die Erde fassen kann!
    Ich werde bald ertrinken in dem Rot.
    Und weiß   – das fängt erst alles an.
    Wenn wir nicht schnell erwachen, sind wir tot.
     
    Auf einmal seh ich plastisch all die Lügen,
    die unsrer Erde ihren Atem rauben,
    und all die toten Seelen, die sich fügen,
    weil ihre Körper sich am Leben glauben.
     
    Die Straßen sind gefüllt mit Geisterwesen,
    die man schon lange aus der Welt verbannte.
    Ich hab als Kind erstaunt davon gelesen,
    und jetzt erschreckt mich all das Unbekannte.
     
    Ich sehe Priester, die das Kreuz der Liebe
    wie ein Gewehr auf ihre

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