Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
nahtlos,
doch gelangweilt aufzugeben,
will ich lieber unvollendet,
doch dafür unendlich leben.
Und auch jetzt schon, voll von Wein,
bin ich hin und her gerissen,
schreib ich, weil ich’s besser weiß
oder wider bessres Wissen.
So bleibt vieles ungeschrieben,
doch das ist’s ja, was ich meine,
denn ich teile mich, ihr Lieben,
und bleib immerfort der eine.
Jetzt eine Insel finden
1985 – 1989
Surfen und Schifahren,
Schifahren und Surfen.
Im Winter Surfen,
im Sommer Schifahren.
Frühjahr und Herbst:
Schisurfen,
später dann
Schurfen und Sifahren
Sifahren und Schurfen.
Im Winter Schurfen,
im Sommer Sifahren.
Im Herbst Schischurfen.
Abends hat man sich viel zu sagen:
Schurfen Schie auch, Fräulein?
Nein, ich schare nur Schi.
Schade.
Als wir beim Falkner waren
stand mein Vater neben mir
vielleicht dichter als jemals zuvor.
Wäre er nicht mein Vater,
hätte ich mich geärgert über jemanden,
der noch so unbefangen staunen kann.
Mein Neid hätte sich
was zurechtgelegt gegen ihn.
Alles erfüllte meinen Vater mit Freude
und für nichts war er zu weise.
Während ich einen Gaukleradler streichelte,
stand mein Vater etwas verloren
zwischen all diesen Vögeln
mit den großen Krallen und den kantigen Schnäbeln
und ich hatte ihn unsagbar lieb.
Nie zusammen im Puff gewesen,
keine einzige Sauftour miteinander,
achtunddreißig Jahre nur im Geist verbunden,
aber jetzt,
als wir beim Falkner waren,
schlossen sich unsere Herzen,
als wäre eine Irrfahrt
zu Ende.
Immer wenn ich,
berauscht vom Heldentum,
nach einem Actionfilm
die Straße breitbeinig in Beschlag nehme,
beschließe ich,
mich tags darauf
in einem Karatekurs einzuschreiben.
Es ist vielleicht eine etwas derbe,
aber
es ist auch eine Art von Poesie,
dem anderen leidenschaftslos und ausdrucksstark
die Fußkante unters Kinn zu pfeffern.
(Man wünscht sich manchmal,
mit dieser Art Gedicht
einigen Kritikern zu antworten.)
Jetzt werden Sie sich sagen,
na, bei dem ist ja selbst das Scheißen poetisch.
Ja, natürlich, kann durchaus sein.
Sie müssen das so sehen:
Poesie ist nicht eine Sache der Bilderfluten,
sondern zuallererst ein rhythmisches Phänomen,
keine Angelegenheit von links oder rechts,
altväterlich oder avantgardistisch,
sie hat eher etwas mit Atmen zu tun,
Legato und Stakkato,
Story oder Reim sind austauschbar,
aber das Luftholen im richtigen Moment
ist unwiederholbar
und verdichtet einen Augenblick
zur Ewigkeit.
Jetzt eine Insel finden
Jetzt eine Insel finden und in seentiefem Blau,
von Opiaten überwölkt nach innen sinken.
Nur nichts von außen. An der eignen Wesensschau
den Lebensrest verzaubernd sich betrinken.
Und doch: Selbst mit verschlossnen Ohren
kann ich den anderen Wirklichkeiten nicht entfliehn.
Denn leider kann sich keiner ungeschoren
auf Dauer in die eigne Welt verziehn.
Mach ruhig die Augen zu: Du kannst das Blut nicht übersehen.
Schlag dir die Nase ab: Es stinkt nach Untergang.
Und einmal werden die Geschundnen vor dir stehen
und werden fragen: Was hast
du
getan?
Ich scheuchte gern diese Gedanken von mir weg
und würd sie lieber gar nicht schreiben oder singen.
Ich stellte oft die Freude schützend vor den Dreck,
mit dem sich Menschen immer in die Knie zwingen.
Doch manchmal seh ich sie vor mir mit leeren Augen,
zerschundnen Händen, aufgeblähtem Bauch,
ich möchte schlafen und dem bösen Traum nicht glauben
und seh mich plötzlich zwischen alldem auch.
Seh mich gejagt als Nigger in dem Schmutz
einer zurückgebliebnen weißen Fettwanstwelt,
seh mich als Jäger, der sich in dem Schutz
einer entmenschlichten Moral gefällt.
Und spüre Schmerz, der nie der meine war.
Und heul mit einem Waisenkind.
Und bringe in der Wüste Opfer dar,
auf dass der Regen komme mit dem Wind.
Dass so viel Blut die Erde fassen kann!
Ich werde bald ertrinken in dem Rot.
Und weiß – das fängt erst alles an.
Wenn wir nicht schnell erwachen, sind wir tot.
Auf einmal seh ich plastisch all die Lügen,
die unsrer Erde ihren Atem rauben,
und all die toten Seelen, die sich fügen,
weil ihre Körper sich am Leben glauben.
Die Straßen sind gefüllt mit Geisterwesen,
die man schon lange aus der Welt verbannte.
Ich hab als Kind erstaunt davon gelesen,
und jetzt erschreckt mich all das Unbekannte.
Ich sehe Priester, die das Kreuz der Liebe
wie ein Gewehr auf ihre
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