Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
alt,
sich sinnlos zu verschwenden.
Doch noch gibt’s Herzen, die verstehen,
noch lädt die Erde ein.
Nur bald, es ist schon abzusehen,
wird’s nur noch schnein.
Wie leicht, mein Schatz, verschläft man sich,
wenn man sich nicht so mag.
Das Leben währt
kaum einen Sommertag.
Die Weiße Rose
1943, kurz vor dem Ende der Nazidiktatur, wurden die Geschwister Sophie und Hans Scholl und vier weitere Mitglieder der Widerstandsbewegung »Die Weiße Rose« in München hingerichtet. Ihnen und all denen, die sich auch heute noch dem Faschismus entgegenstellen, ist dieses Lied zugeeignet.
Jetzt haben sie euch zur Legende gemacht
und in Unwirklichkeiten versponnen,
denn dann ist einem – um den Vergleich gebracht –
das schlechte Gewissen genommen.
Ihr wärt heute genauso unbequem
wie alle, die zwischen den Fahnen stehn,
denn die aufrecht gehn, sind in jedem System
nur historisch hoch angesehn.
Ihr wärt hier so wichtig, Sophie und Hans,
Alexander und all die andern,
eure Schlichtheit und euer Mut,
euer Gottvertrauen – ach, tät das gut!
Denn die Menschlichkeit,
man kann’s verstehn,
ist hierzuland eher ungern gesehn
und beschloss deshalb auszuwandern.
Ihr habt geschrien, wo alle schwiegen,
obwohl ein Schrei nichts ändern kann,
ihr habt gewartet, ihr seid geblieben,
ihr habt geschrien, wo alle schwiegen –
es ging ums Tun und nicht ums Siegen!
Vielleicht ist das Land etwas menschlicher seitdem,
doch noch wird geduckt und getreten.
Der Herbst an der Isar ist wunderschön,
und in den Wäldern lagern Raketen.
Ich würd mal mit euch für mein Leben gern
ein paar Stunden zusammensitzen,
doch so nah ihr mir seid, dazu seid ihr zu fern,
trotzdem werd ich die Ohren spitzen.
Ihr wärt hier so wichtig, Sophie und Hans,
Alexander und all die andern,
eure Schlichtheit und euer Mut,
euer Gottvertrauen – ach, tät das gut!
Denn die Menschlichkeit,
man kann’s verstehn,
ist hierzuland eher ungern gesehn
und beschloss deshalb auszuwandern.
Ihr habt geschrien, wo alle schwiegen,
obwohl ein Schrei nichts ändern kann,
ihr habt gewartet, ihr seid geblieben,
ihr habt geschrien,wo alle schwiegen –
es geht ums Tun und nicht ums Siegen!
Von den zertrümmerten Wirklichkeiten
Benebelt von Göttern und Parteien,
gedrillt auf Ja und Amen,
voll von Rezepten, die Welt zu befreien,
vergaßen wir unseren Namen.
So lange bewiesen und überdacht,
so lange uns selbst entfernt.
Zwar wärn wir jetzt gerne mal unbewacht,
doch das haben wir niemals gelernt.
Und jetzt stehlen sie uns die Sonne
und versilbern sich den Arsch
mit unseren plattgedrückten Nasen,
unserm treu ergebnen Marsch.
Mein Gott, ich hab die Schnauze voll
von allen, die mich übergehn.
Ich will mit meinen Wünschen jetzt
im Brennpunkt der Geschichte stehn.
Und jetzt stehn wir so klug wie ehedem
vor zertrümmerten Wirklichkeiten,
zwar lebt es sich, heißt es, angenehm,
dafür ist es verboten, aufrecht zu gehn
und sich selbst nach vorn zu geleiten.
Und jetzt wird man uns wieder mal rekrutieren,
und wir stehen dann wieder daneben:
Ach lasst uns doch diesmal, statt mitzumarschieren,
so recht aus dem Vollen leben.
So bleibt vieles ungeschrieben
Zwar: Da ist viel Ungereimtes,
und ich fand noch keine Normen,
meine Lieder und mein Leben
nach gemäßem Maß zu formen.
Viel zu viel kam mir dazwischen.
Wenn ich glaubte, ich sei richtig,
war mir eben neben einem
immer auch das andre wichtig.
Meistens renn ich meinem Denken
viel zu lange hinterher,
und kaum bin ich ausgewogen,
ist mir mein Gewicht zu schwer.
Aber eines ist geblieben,
dass ich schreibe, was ich meine,
und so teil ich mich, ihr Lieben,
und bleib immerfort der eine.
Und so zieht’s mich, und so treib ich,
renn davon und halte ein,
um mal zögernd und mal stürmisch,
immer aber Fluss zu sein.
Vieles, was ich von mir dachte,
war ich sicherlich noch nie,
und für vieles, was ich bin,
fehlt mir noch die Fantasie.
Meistens will ich auch nicht sehen,
was an Höllen in mir ist,
und verteile auf die andern
als Gerechter meinen Mist.
Aber eines ist geblieben,
dass ich schreibe, was ich meine,
und so teil ich mich, ihr Lieben,
und bleib immerfort der eine.
Und mag sein, das dauert an,
dieses Schwanken, dieses Flehn,
bleibt die Hoffnung, ich werd weiter
auch im Fallen zu mir stehn.
Und statt irgendwann mal
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