Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
Großhandel geleistet haben
oder für den Einzelhandel,
jedenfalls irgendwas mit Port,
Im- oder Ex-,
aber das ist ja auch ganz egal,
ich kenn ihn sowieso nicht.
Kennen Sie Hans Moxter?
Ja, den, der jetzt sechzig geworden ist,
großer Artikel in der FAZ,
Moxter, der Gigant, der Familienvater, der Schifahrer,
Sportsegler, Laiendarsteller.
Es könnte genauso gut in der Zeitung stehen:
Peter Illig wird siebzig,
den kennt auch niemand,
dem will auch keiner was,
aber irgendwas muss ja in der Zeitung stehen,
zum Beispiel: Heinz Habersack wird geboren,
Heinz Habersack,
der für die deutsche Wirtschaft
Bedeutendes leisten wird,
wird geboren,
Heinz Habersack, der Gigant,
Familienvater, Sportsegler und Laiendarsteller,
jetzt in diesem Moment,
wenn Sie genau hinhören,
jetzt können Sie ihn schreien hören,
und wenn er sechzig wird,
wollen wir ihm danken
für sein sauberes Leben,
für seine zwei Kinder Susanne und Rolf
und für den Aufschwung,
den er unserem Land beschert haben wird.
Wir alle lieben Heinz Habersack,
der jetzt gerade geboren wird,
weil er so viel für Deutschland tun wird,
weil er eine liebevolle Ehe führen wird,
weil er einmal sechzig sein wird
und weil er dann Bedeutendes für den Großhandel geleistet haben wird.
Alles Gute, Heinz Habersack,
Kopf hoch, Hans Moxter,
halt durch, Peter Illig!
Immer, wenn ich in Urlaub fahre,
höre ich irgendjemanden sagen:
»Aber selbstverständlich, Bernd«
oder
»So nicht, Luise«,
und das gibt mir dann das feste Gefühl,
nicht allein zu sein,
alles in deutschem Griff
sozusagen.
Sehen Sie,
ich könnte auch ganz woandershin fahren,
in den brasilianischen Urwald zum Beispiel
oder ans Nordkap,
wo nichts anderes zu hören ist
als das ewige
Oink, Oink
der Seehunde,
aber kann ich mir da ganz sicher sein,
dass das in der eigentlichen Bedeutung des Lautes nicht auch
»Aber selbstverständlich, Bernd« heißt
oder etwas abgewandelt
»Lass mich in Frieden, Luise«?
Vielleicht haben die Gestirne in diesem Punkt
ein völlig anderes System
und das sieht man schon daran,
dass sie in den seltensten Fällen
Bernd oder Luise heißen,
und sie bräuchten schon eine gewaltige Stimme,
um sich über Lichtjahre hinweg
»Aber selbstverständlich, Kleiner Wagen«
oder
»Halt die Fresse, Andromeda«
zuzubrüllen,
und ich würde mir da oben etwas verloren vorkommen.
Also freue ich mich,
wenn ich Bernd und Luise begegne,
lächle ihnen zu,
und es kommt schon mal vor,
dass ich dem oder jenem
mir völlig Unbekannten
»Ist schon in Ordnung, Bernd«
oder »Mach dir nichts draus, Luise«
zurufe.
Es fällt mir jetzt schwer,
hinter dem Ganzen
einen Sinn zu entdecken
oder gar eine
mir genehme
philosophische Grundwahrheit
aber ich glaube, es ist an der Zeit,
Tatsachen wie diesen
hart und unerbittlich
ins Auge zu blicken.
Sie haben keine Bedeutung,
nützen weder beim Abwaschen
noch beim Meditieren,
aber schwingen in ihrer eigenen Melodie,
und das ist doch auch schon was, Bernd.
Oder etwa nicht, Luise?
Manchmal hat mir ein schönes Wirtshaus
was Heiligeres als eine Kirche,
und wenn ich auch nicht zum Beten einkehre,
so gereicht mir doch ab und an
ein Schweinsbraten eher zum Gebet
als alles Niederknien und Gegen-die-Brust-Schlagen.
Das kann dem lieben Gott auch gar nicht so unrecht sein,
hat er mich doch reichlich mit Fleisch und Fleischeslust ausgestattet.
Ich könnte das alles jetzt auch noch
in einen bayrischen Vers kleiden,
aber dann würd man es sicher beim nächsten Komödienstadl
als Witz erzählen,
und das will man ja nun als deutscher Dichter
auch nicht auf sich sitzen lassen.
Ach sicher, ein jeder gäbe sich gern
ganz seiner Seele hin,
denn der Mensch ist nicht schlecht,
nur die Umstände sind’s, die ihn schlächten.
Aber wer macht nur die Umständ so schlecht?
Den Göttern könnt man’s schon anlasten,
aber die haben wir selber vertrieben
und da nützt kein Geschrei.
Jetzt, wo wir auf ihren Plätzen sitzen,
spricht uns das eigene Wehklagen schuldig.
Ach sicher, ein jeder gäbe sich gern
ganz seiner Seele hin,
doch jetzt find sie mal wieder!
Vertrieben, verkauft und beim Wiegen zu nichtig
befunden
die Seele, dieses Stück Niemandsland,
find sie mir wieder!
Und ich werd mich schön einhüllen,
im Winter, wenn’s Mäntel braucht,
werd ich mich einhüllen in eine warme Seel.
Nein, der Mensch ist nicht schlecht,
nur die Umstände
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