Jeder Hund kann gehorchen lernen
riechendes Kriechöl hinzuzumixen. Doch noch ist in der Szene nichts von den Übeltätern zu sehen. Untermalt von der Psychomusik fragt Anke Engelke mit grimmigem Blick: »Wer war das?« Kurze Pause. Dann noch mal: »Wer war das, habe ich gefragt?« Nun schwenkt die Kamera auf den Gehweg vor den beiden Schauspielerinnen. Vier nebeneinander in Platz-Position liegende Hunde, die völlig unbeteiligt durch die Gegend schauen, versperren den Damen den Weg: der Dalmatiner einer Freundin, ein kniehoher schwarzer Mischling, eine kleine weiße Hündin, die ich erst ein paar Tage zuvor gecastet hatte – und Gysmo. Wichtig war, dass sich die vier Hunde deutlich voneinander unterscheiden. Denn in ihrer Rolle droht Anke Engelke: »Ich gehe hier nicht weg, bevor sich derjenige gemeldet hat, der das hier zu verantworten hat.« Danach zeigt die Kamera die einzelnen Hunde in Großaufnahme. »Ich habe Zeit«, verkündet Anke Engelke, derweil mahnt ihre Kollegin zur Eile: »Der Termin …« Doch Geschäftsfrau Engelke will das jetzt durchziehen: »Na schön, ich kann auch anders«, meint sie, zieht den rechten Schuh aus und fügt an die Hunde gerichtet hinzu: »Ich lasse mir doch von euch keinen Auftrag kaputt machen«. Sie hält sich den Schuh vor die Nase und schnüffelt wie ein Hund an der mit »Scheiße« verklebten Sohle. »Alter? Dreieinhalb Jahre«, sagt sie, riecht erneut und übermittelt ihrer Kollegin weitere Schnüffel-Infos: »Rüde! … Und definitiv nicht reinrassig!« Wieder die dramatische Musik. Showdown. Die vier Hunde regen sich nicht. Es fehlt nur noch eine letzte und entscheidende Information, um den Übeltäter zu identifizieren. »Terrier!« Mit dem vollgeschissenen Schuh in der Hand zeigt Anke Engelke auf Gysmo: »Du warst es!« Sofort dreht sich Gysmo um und nimmt Reißaus, Anke Engelke humpelt laut schreiend auf einem Schuh hinterher: »Bleib stehen, du Misttöle!« Ihre Kollegin bleibt zurück, schaut entnervt auf die Uhr … und stöckelt ebenfalls in den Hundekot. Nun nimmt sie wutentbrannt die Verfolgung auf: »Aus dir mach ich Hackfleisch, du Misttöle!« Die Schlussszene zeigt, wie Anke Engelke und Dana Golombek hinter Gysmo herlaufen, bis schließlich alle drei aus dem Bild sind. Die verbliebenen drei Hunde liegen immer noch in der gleichen Position, drehen nur den Kopf und schauen den beiden fluchenden Frauen hinterher, als dächten sie: »Mein Gott, diese empfindlichen Zweibeiner und ihre merkwürdigen Allüren.«
Entscheidend beim Dreh dieses Sketches ist, dass Gysmo im richtigen Moment stiften geht und dass es spontan aussieht. Außerdem müssen die anderen drei Hunde unbedingt in der Platz-Position verharren. Dafür habe ich zwei der Hundehalter als Co-Trainer eingebunden, die Gysmos Kollegen auf sich fixieren und von der Seite aus per Handzeichen dafür sorgen, dass sie sich nicht von der Stelle rühren. Direkt nach seiner Identifizierung als Übeltäter rufe ich Gysmo zu mir. Unmöglich, ihn per Handzeichen abzurufen, denn ich stehe etwa 30 Meter entfernt versteckt im Gebüsch. Per Funkgerät erhalte ich von der Regieassistenz den »Startschuss«. Allerdings rufe ich meinen Hund nicht wie üblich mit »Komm!« oder »Hier!« zu mir, sondern mit seinem Namen: »Gysmo!« Denn auch die anderen drei Hunde hören auf mich und könnten sich sonst angesprochen fühlen.
Wenn man wie in diesem Fall mit Hörzeichen arbeiten muss , dürfen diese nicht gleichzeitig zum Text der Schauspieler erfolgen, da sie dann bei der späteren Bearbeitung des Filmmaterials nicht mehr herausgeschnitten werden können. Ich rufe also nach Gysmo genau eine Sekunde nach Anke Engelkes »Du warst das!«. Wir brauchen vier bis fünf Anläufe, insgesamt anderthalb Stunden, bis alles stimmt. Schließlich sind nicht nur ein oder zwei, sondern gleich vier Hunde zu koordinieren, weshalb die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt. Außerdem geht es zusätzlich um so kleine Details wie die korrekte Blickrichtung der drei liegenden Hunde. Dies erreichen wir, indem wir die Co-Trainer exakt so positionieren, dass die Hunde in die von der Regie gewünschte Richtung schauen.
Der Sketch »vermenschlicht« eine wirklich bemerkenswerte Fähigkeit von Hunden, die noch nicht gänzlich erforscht ist: Sie können durch ihre mit bis zu 220 Millionen Riechzellen bestückten Nasenschleimhäute Informationen aufnehmen und verarbeiten, die uns Menschen, die wir grade mal über fünf Millionen Riechzellen verfügen, für immer verborgen bleiben – und
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