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Jeder kann mal Robin sein

Jeder kann mal Robin sein

Titel: Jeder kann mal Robin sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Betke
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denn die Lilly mitten in der Nacht von uns?«
    »Sie will nichts, Oma. Sie steht bloß vor der Tür und zittert.«
    »Sie zittert. So. Warum zittert sie denn?«
    »Weil sie friert. Sie hat Strafe.«
    »Was hat sie?«
    »Strafe. Ihre Mama oder ihr Papa, ich weiß ja auch nicht, vielleicht alle beide, haben sie ausgesperrt.«
    »Ausgesperrt? Mitten in der Nacht?« Oma fuhr in den Morgenrock und lief in den Flur. »Wo ist sie denn, die Lilly? Hast du sie nicht mitgebracht?«
    »Nein. Sie hat sich gewehrt. Sie steht draußen im Treppenhaus.«
    »So, so, im Treppenhaus. Zustände sind das!« Oma lief den langen Flur entlang.
    Noch ehe sie die Wohnungstür erreicht hatte, torkelte Max aus dem Kinderzimmer und versperrte ihr den Weg. Er rieb sich die Augen.
    Oma stürmte an ihm vorbei, riß die Wohnungstür auf, knipste draußen das Dreiminutenlicht an und schaute sich um. »Wo steckt denn deine Lilly?«
    Tine schob sich an Oma vorbei. Die Ecke drüben war leer. »Eben war sie noch da.«
    Oma schüttelte den Kopf, schlich auf Zehenspitzen über den Flur des Treppenhauses und hielt das Ohr an die Nachbartür. »Nichts. Alles still.« Sie kehrte um.
    »Oma, du schleichst wie ein Robinianer«, stellte Max fest.
    »Und du stehst hier ohne Hausschuhe. Ab ins Bett! Ich bring dir gleich Kamillentee. Und du, Tine, schließ mal ab! Und dreh den Schlüssel zweimal im Schloß.«
    Max trollte sich.
    Tine sah, daß Oma fröstelnd die Schultern hochzog. »Hast du Angst, Oma?«
    »Ich? Da kennst du mich schlecht. Mir ist bloß ein bißchen ungemütlich. Sag mal«, sie legte Tine den Arm um die Schultern, »hast du vielleicht alles nur geträumt? Weißt du, wir haben heute Vollmond.«
    »Aber nein, Oma! Ich spinn doch nicht. Eben hat Lilly noch in der Ecke gestanden und ...«
    Im Kinderzimmer hörte man Max niesen.
    »Das mußte ja kommen.« Oma ging in die Küche, setzte den Teekessel auf und ließ sich auf die Küchenbank fallen. »So, Tine, und nun wollen wir mal zur Sache kommen. Was weißt du über die kleine Lilly?«
    Tine hob die Schultern. »Gar nichts. Hab ich doch schon gesagt! Ich weiß bloß, daß sie nie draußen auf dem Hof spielt.« Tine setzte sich an den Tisch und stützte das Kinn auf die Hände.
    Oma stand auf und goß Wasser in die Teekanne. »Hier, bring Max mal eine Tasse ans Bett!«
    Tine kam mit der vollen Tasse zurück. »Der schläft schon wieder.«
    »Um so besser. Komm, versuchen wir auch zu schlafen.«
    Vor dem Kinderzimmer hakte Tine sich bei Oma ein. »Mir ist so gruselig!«
    Oma zögerte. »Breit genug ist das Bett ja. Aber ich warne dich, Opa sagt, ich schnarche.«
    »Macht nichts.« Tine drängte Oma weiter und schlüpfte in das große Bett.
    Oma stieg hinterher und starrte gegen die Decke. »Ich glaube, ich tu heute nacht kein Auge zu, Tine. Das arme kleine Ding von nebenan ...«
    Sie bekam keine Antwort. Tine hatte den Kopf tief ins Kissen gesteckt und schlief.



Schneebälle

    Weder am nächsten noch am übernächsten Tag bekam Oma jemanden aus der Nachbarwohnung zu Gesicht, und auch Tine und Max dachten nicht mehr an die Kleine von nebenan. In der Vollmondnacht hatte es nämlich geschneit. Alle Äste der Kastanie waren zum Jubel der Robinianer von einem dicken Schneepelz überzogen, und während die anderen in der Schule waren, schlich Max der Späher im Schnee herum und forschte nach feindlichen Spuren. Aber so aufmerksam er auch den Lagerplatz von Greenwood absuchte, er fand nichts als die kralligen Abdrücke einer Krähe, die in der Ulme von Nr. 58 saß und eifrig krächzte.
    Aber deshalb ließ sich Max noch lange nicht von seinem Posten fernhalten, und nach dem Mittagessen geschah es: Bei Kochs wurde Sturm geklingelt, und als Oma die Tür öffnete, rannte Max an ihr vorbei und schrie: »Tine, Tine, die Leute von dem gräßlichen Gisborne ...«
    »Ja?« Tine schoß aus ihrem Zimmer. »Was ist mit denen?«
    »Sie sind auf Raubzug!« Max schnappte nach Luft. »Sie haben Latten aus unserm Zaun gebrochen.«
    »Die von Hof B? Das gibt’s doch nicht! Und wo sind sie jetzt?« fragte Tine.
    »Wieder zurück auf ihren Hof. Fünf Latten haben sie mitgeschleppt.«
    »Feiglinge. Los, wir müssen hinterher! Lauf sofort zu Paul und sag Bescheid.«
    Noch ehe Max die Treppe betreten hatte, kam Judy die Stufen heraufgestürmt. »Tine, was meinst du, was passiert ist? Gisbornes Leute ...«
    »Ich weiß, ich weiß. Max hat’s mir gerade gesagt. Nun geht’s los!« Tine riß ihren Anorak vom Haken, und die Mädchen

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