Jeder kann mal Robin sein
stehen. »Ist ja schon alles abgeräumt!«
»Geheimnisse machen anscheinend Hunger.« Oma holte die Platte mit den Resten des Abendbrots aus dem Kühlschrank und stellte sie wieder auf den Tisch.
Warum grinst Oma eigentlich so? fuhr es Tine durch den Kopf, und als Oma anfing, laut zu lachen, war sie völlig verwirrt. »Was ist denn los?«
»Das möchte ich auch wissen.« Oma hob den Zeigefinger und wies auf etwas rotweiß Geringeltes, das hinten aus Max’ geplatzten Jeans zipfelte. »Muß ein ziemlich heftiges Geheimnis sein, oder?«
Max griff hinter sich. »Kaputt.« Er sah Oma an. »Machst du es wieder ganz?«
»Gewiß doch.«
»Dafür kriegst du das Geheimnis auch ganz genau zu wissen.«
»Fein!« Oma sah ihren Enkel erwartungsvoll an.
»Nicht jetzt, erst wenn alles gelaufen ist«, fügte Tine hinzu. »Morgen. Kannst ja inzwischen den Daumen halten.«
»Mach ich.«
»Aber den linken, Oma.« Max biß krachend in eine Gurke. »Der linke ist besser.«
»Ich werd’s mir merken.«
Die Prüfung
Am nächsten Nachmittag Punkt drei traten Max und Tine aus der hinteren Haustür auf Hof A. Sogleich sammelten sich die Kinder, die unter der großen Kastanie herumlungerten, und blickten den Ankömmlingen erwartungsvoll entgegen. Es waren zwei Mädchen und vier Jungen. Ein großer dünner Zwölfjähriger, der mit seinem Fahrrad kunstvolle Kurven drehte, stellte das Rad ab, preßte beide Daumen um den Ledergürtel, der ihm eng um die Hüften spannte, rückte seine grüne Kappe in die Stirn und pflanzte sich mit gespreizten Beinen ein paar Meter vor der Kastanie auf. Die anderen Jungen und Mädchen bildeten einen Kreis um ihn, während die Geschwister auf die Plattform kletterten.
»In die Mitte«, befahl der Große. »Du nicht!« wurde Tine zurückgewiesen. »Wenn dein Bruder ein Robinianer werden will, muß er für sich selbst einstehen.«
Tine preßte die Lippen zusammen.
Ihre Freundin Judy legte ihr den Arm um die Schultern. »Wie Paul sich wieder aufspielt«, zischte sie ihr ins Ohr. »Höchste Zeit, daß mal jemand anders an die Reihe kommt.«
Paul blickte in die Runde, an Max blieb sein Blick hängen. »Also, was hast du vorzubringen!«
Max schluckte und sah auf die Spitzen seiner Turnschuhe. Seine Stimme klang ein wenig schrill, als er anfing: »Ich will ein Robinaner werden.«
Unterdrücktes Gekicher.
»Aha.« Paul reckte den Kopf. »Ein Robinaner will er werden.«
»Du hast das zweite i vergessen«, rief Klaus. »Such mal! Vielleicht fliegt’s noch irgendwo in der Luft rum.«
»Ihr seid richtig gemein!« Veronica, ein zierliches Mädchen mit langem braunem Pferdeschwanz, durchbrach den Kreis und lief auf Max zu. »Laß die ruhig quatschen, ob nun ein i oder zwei ist doch egal!«
Max sah zu ihr auf. »Dabei weiß ich alles über
Greenwood. Und ich komm doch nächstes Jahr schon in die Schule.«
»Robin Hoods Freund Little Much war auch klein.« Veronica sah Paul herausfordernd an.
»Ob er für Greenwood zu klein ist, wird die Gemeinschaft der Robinianer bestimmen«, gab Paul zurück. »Also, wer von euch ist dagegen, daß Max aufgenommen wird?«
Ein paar Hände fuhren in die Höhe, auch Paul hob die Hand. »Eins, zwei, drei, vier«, zählte er. »Also abgelehnt.«
»Wieso, wieso, was heißt hier abgelehnt?« rief Ede. »Ich hab nicht mitgestimmt.«
»Hast du nicht?«
»Nein, du hast dich verzählt. Es waren nur drei. Überhaupt läuft alles ganz falsch«, protestierte Veronica. »Zuerst muß man bei einer Abstimmung fragen, wer für den Vorschlag ist.«
»Sie muß es ja wissen, wo ihre Eltern Rechtsanwälte sind«, spottete Klaus.
»Haltet gefälligst die Klappe!« Paul kriegte einen roten Kopf. »Wer ist hier Robin Hood, ihr oder ich?«
Veronica reckte sich. Bis zur Neuverteilung der Rollen war sie Marian, die ihrem Freund Robin nach Greenwood gefolgt war. »Spiel dich nicht so auf. Nie hat Robin Hood so mit seinen Gefährten gesprochen.«
»Genau«, stimmte Judy zu. »Wenn du Robin Hood sein willst, dann mach’s gefälligst auch richtig.«
»Ich finde«, Ede stand auf, »wir sollten so abstimmen, wie Veronica sagt. Aber vorher sollten wir noch mal alles genau überlegen. Tun wir in unserem Fußballverein auch, wenn’s um einen Neuen geht. Also, wir können doch froh sein über jeden, der noch dazukommt. Die von drüben«, er zeigte nach der anderen Seite des Hofes, »die sind viel mehr als wir. Wenn wir gegen die in die Schneeballschlacht ziehen, brauchen wir jeden Mann. Und
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